Die Konzeption ist Grundlage der staatlichen Genehmigung der privaten Karl-Popper-Schule und damit verbindlich. Sie stimmt überein mit dem Hessischen Referenzrahmen Schulqualität bzw. ist in diesem enthalten.
Sie stimmt weiter überein mit der Bund-Länder-Initiative „Leistung macht Schule“ und ist insofern konsistent mit der Gründungsidee des Schulvereins Karl-Popper-Schule – eine Schule für besonders begabte Schülerinnen und Schüler, die in Regelschulen nicht ausreichend gefördert werden können.
Im Mittelpunkt der Konzeption steht die individuelle Förderung im Regelunterricht. Sie macht es möglich, die Entwicklung der einzelnen Schülerinnen und Schüler (SuS) von dem Lernfortschritt einer Klasse zu lösen. Sie bietet Möglichkeiten für individuelle Beschleunigung, aber auch für Verlangsamung, wenn besondere Bedürfnisse dies nahelegen — wie etwa nach früher Einschulung und mehrfachem Springen, nach längerer Krankheit oder Umzug aus einem anderen Bundesland.
Originalfassung der Konzeption 2019 (Jahr der Genehmigung):
„Hinweis: Die besondere didaktische Form der KPS nimmt aus deutschem Bezugsrahmen das exemplarische Lernen (Klafki, Wagenschein), die Wissenschaftspropädeutik der Bildungsreformen von 1976, das Lernen durch Lehren (Jean-Pol Martin) und die Vorschläge zu den Bildungsstandards auf; aus dem anglo-amerikanischen Raum das Parallelcurriculum von Tomlinson, Renzulli u.a., das Critical Thinking als metakognitives Lernen (in den USA Teil der Allgemeinbildung), die Methodik des forschenden Lernens von Charles R. Pearce sowie die Grundsätze des Inverted Classroom. Das hessische Kerncurriculum und die Bildungsstandards werden durch diese Ansätze ausgestaltet und akzentuiert.
Der Unterricht wird in vier Zugriffsweisen organisiert (entsprechend dem Parallelcurriculum, s. Hinweis oben und Anlage 14 zum Antrag auf Genehmigung), die sich auf drei Sozialformen verteilen. – Daneben steht der fächerübergreifende Projektunterricht mit den Kernfächern Musik, Kunst, Sport und Fremdsprachen.
Sozialform gesamte Stufe – Erste Zugriffsweise (Basis Curriculum/Zentraler Inhalt)
Die zentralen Inhalte der Unterrichtsfächer werden nach dem exemplarischen Prinzip ausgewählt (Basiswissen/Basis Curriculum) und weitgehend selbst medial verarbeitet. Die Lehrkräfte beginnen auf der Basis des als Vorlage übernommenen Curriculums der Robert Bosch-Schule, Hildesheim. Zum Zeitpunkt des Schulbeginns haben sie in einem zweimonatigen Vorlauf Unterrichtseinheiten vorbereitet, die sie für ihre Fächer aufnehmen, um- und fortschreiben. Das Basis Curriculum wird für die SuS einer Stufe (in der Regel) gemeinsam angeboten. Es soll nach dem Exemplarischen Prinzip, für das die Lehrkräfte zuvor ausgebildet wurden, strukturiert und komprimiert werden. Die Aufgabe der SuS ist aktives Zuhören und Anfertigen von Notizen.
Die Schüler können in den folgenden beiden Sozialformen auf die gebotenen Inhalte per Tablet zugreifen und sie durch weitere Materialien ergänzen: (Schul-) Bücher, Angebote des Intranets der Schule, Schülerarchiv (s.u.). Sie erhalten innerhalb des im Basiswissen angebotenen thematischen Rahmens unterschiedliche Aufgaben, deren Anspruchsniveau nach den Vorschlägen des Kompetenzzentrums (s.u.) differenziert ist.
Sozialform individuelles Arbeiten – zweite bis vierte Zugriffsweise (Verknüpfung, Wissenschaftspropädeutische Einübung, Beziehungen zur Person)
Im individuellen Arbeiten wird zunächst und vor allem das Verständnis des Basis Curriculum gesichert (Protokoll, Rekonstruktion und Vertiefung der Aspekte, Einübung von Fertigkeiten). Bei manchen SuS kann die Sicherung die verfügbare Zeit ausschöpfen, bei anderen kann sie schnell bewältigt sein. Bei schneller Bewältigung können der Inhalt, die Fragestellungen und die Methoden jeweils ausgeweitet werden. Das individuelle Arbeiten wird von allen Lehr- und Förderkräften der Schule unterstützt und ist Inbegriff der individuellen Förderung. Durch Kontextuierung und Anwendung wird das Wissensangebot auf verschiedenen Niveaus zu persönlicher Kompetenz weitergeführt.
Suchrichtungen für die Ausweitung sind dabei die weiteren drei Zugriffsweisen des Parallelcurriculums:
+ Verknüpfungen mit weiteren Themenfeldern und Fächern, Ereignissen, Zeiten und Kulturen (curriculum of connections),
+ Wissenschaftspropädeutische Einübung durch Anwendung relevanter Arbeitsmittel und durch Methoden des Forschens und fachbezogenen Handelns (curriculum of practice),
+ Beziehungen zur Person der Schülerin/des Schülers, wie sie in der subjektiven Bedeutung eines Inhalts, in dem Verhältnis von fachlicher und Begabungsstruktur oder in persönlichen Interessen und Werthaltungen/Zielen zum Ausdruck kommen (curriculum of indentity).
Über die Richtung der Ausweitung und deren kognitives Anspruchsniveau bedarf es der Absprache zwischen der Schülerin/dem Schüler mit der fachlichen Lehrkraft (Arbeitsvereinbarung). In diesen Absprachen wird auch über die Kooperation mit SuS aus anderen Stufen im Sinn des “Lernens durch Lehren“ entschieden.
Die Lehrkräfte werden bei ihren Absprachen unterstützt von dem Kompetenzzentrum, das über die diagnostischen Daten der SuS verfügt (anfangs Potential- und Persönlichkeitsdiagnostik). Umgekehrt geben die Lehrkräfte ihre Erfahrungen mit den Absprachen an das Kompetenzzentrum weiter, damit die diagnostischen Ausgangsinformationen mit den eintretenden Erfahrungen gefüllt und präzisiert werden können. Dieser Kommunikationslauf erfolgt digital und wird dokumentiert. Er stellt die psychologisch-didaktische Grundlage der individuellen Förderung dar.
Das individuelle Arbeiten findet in einem großen offenen Raum statt, in dem Einzeltische für jede Schülerin/jeden Schüler stehen. Diese Form dient der Selbstregulierung der SuS (Geräusch, Bewegung, soziale Begegnungen, Kooperationen). SuS, die aufgrund besonderer Bedürfnisse eine geschützte Umgebung brauchen, arbeiten in Nebenräumen oder werden passend platziert.
Die Individualisierung bietet nicht nur Chancen, verschiedene Zugriffsweisen und Anspruchsniveaus für gleiche Inhalte aufzugreifen, sondern lässt auch Raum für Beratung und Unterstützung in Fragen des Schullebens und der persönlichen Entwicklung. Eine kontinuierliche pädagogische Begleitung ist ohne besonderen Organisationsaufwand Teil des Unterrichts und damit auch Teil des Kommunikationslaufs zwischen dem Kompetenzzentrum und den Lehr- und Förderkräften.
Hinweis: Die KPS greift für die grundlegend wichtige Entwicklung einer Fragekultur die Empfehlungen von Charles R. Pearce auf, einem durch eine Auszeichnung bekannt gewordenen amerikanischen Lehrer, dessen Methoden auf alle Fächer übertragbar sind. S. Anlage 11 Die Arbeit ist in ein Planungs- und Berichtssystem eingebunden, das die Kommunikation zwischen den SuS und den Lehrkräften sowie die Vorbereitung der differenzierten Kleingruppenarbeit durch die Lehrkräfte unterstützt. |
Die gemeinsame und durchgehende Begleitung durch beide, Lehr- und Förderkräfte, ist aber auch allgemeines Prinzip für die weiteren Sozialformen.
Eine wichtige Aufgabe für SuS und betreuende Kräfte ist in dieser Sozialform das Finden von Fragen. Die Fragekultur entwickelt sich über eine „Fragensäule“: Lehrkräfte und SuS, die während der Arbeit oder eines Gesprächs Fragen in ihrem Denken bemerken, verlassen ihre Situation, sichern die Frage an der Fragensäule und kehren zu ihrer vorigen Situation zurück. (s. Hinweis im nachfolgenden Abschnitt 12.3)
Sozialform Kleingruppenarbeit – dritte Zugriffsweise (Wissenschaftspropädeutische Einübung)
Hier treffen die SuS in kleinen Gruppen zusammen; deren Zusammensetzung kann den Themen, dem Anspruchsniveau oder den gruppendynamischen Entwicklungszielen entsprechend wechseln. In der Kleingruppenarbeit geht es um die Fragestellungen, die während des individuellen Lernens gefunden und dann selektiert und für die Bearbeitung vorbereitet wurden. Die SuS haben je zu einer der verschiedenen ausgewählten Fragen (unterstützt durch Lehrkräfte) aufgeschrieben, wie sie diese bearbeiten wollen und was sie dazu benötigen. Die Kleingruppen mit gleichen Fragestellungen finden für ihre Arbeit die selbst angegebenen Materialien vor.
Die Arbeit findet weitgehend in den gleichen offenen Flächen wie das individuelle Arbeiten statt. Das Material der Gruppen wird auf mobilen Arbeitsstationen zur Verfügung gestellt (Werkzeuge, Moderatorenkoffer für Debating, Gegenstände für Experimente, Erkundungen, Beobachtungen …). Im Sprachunterricht und bei bestimmten Arbeitsvorhaben kann es angezeigt sein, die Gruppen in den geschlossenen Räumen arbeiten zu lassen. Verschiedene Fragestellungen können die SuS auch aus der Schule hinaus führen.
Die Zeiten der verschiedenen Stufen liegen für diese Sozialform ebenfalls auf einer Leiste, so dass je nach Thema SuS anderer Stufen in die Gruppenarbeit einbezogen werden können. – Die Fragestellungen werden überwiegend fächerübergreifende Aspekte haben, so dass auch hier eine Unterstützung durch alle Lehr- und Förderkräfte vorteilhaft ist. – Die bedachtsame Platzierung einzelner SuS in Gruppen bietet Chancen, auch außerhalb thematischer Überlegungen auf persönliche Bedürfnisse einzugehen. – Die Kleingruppenarbeit ist neben dem Projektunterricht die wichtigste Gelegenheit zum sozialen Lernen.
Die Arbeitsergebnisse der Kleingruppenarbeit werden im Schülerarchiv abgelegt, das bald nach dem Start der KPS elektronisch vorgehalten wird. Ziel ist, dass nachfolgende SuS auf die zuvor erarbeiteten Ergebnisse zugreifen und diese prüfen und erweitern können. Die Schülerarbeiten wachsen zu einem „Schüler-Wiki“, das Chancen für den kritischen und respektvollen Umgang mit fremdem Wissen bietet (Critical Thinking).
Der jeweilige Inhalt des Basis Curriculum ist nach dem Individuellen Arbeiten und der Kleingruppenarbeit vorläufig abgeschlossen.
Der Projektunterricht in der nachfolgend beschriebenen anspruchsvollen Form ist noch nicht umgesetzt.
Sozialform Gruppenarbeit/Projektunterricht
Neben diesen drei Sozialformen des Unterrichts steht der fächerübergreifende Projektunterricht, zu dem die Fächer Kunst, Musik, Sport und Fremdsprachen (je nach Thema gegebenenfalls weitere Fächer) zusammengefasst werden. Auch dieser Unterricht findet in gemeinsamen Zeitleisten statt. Für die Projektarbeit stehen außer den genannten Räumen ein großes Außengelände mit Übergang in landschaftliche Freiflächen zur Verfügung.
Der Projektunterricht führt die Schüler in ihren Stufen zusammen; er öffnet weitere Chancen des sozialen Lernens und ergänzt insofern die Kleingruppenarbeit.
Der Projektunterricht der KPS soll alle Ausdrucksformen zusammenfassen (Sprache, Musik, Kunst, Bewegung/Sport) und die SuS in ihre Anwendung einführen, sie einüben und elaborieren. Jedes Projekt endet mit einem Produkt: Text-, Video-, Musik-, Kunst- oder Sportdarstellung; Beobachtungs- oder Forschungsergebnisse, Theaterstück, schulöffentliches Debating … Die Projekte laufen über mehrere Wochen und sollen damit thematische Ruhe- und Vertiefungspunkte bilden.
Beispiele für Projekte der beiden ersten Stufen – fremde Länder / Kanada
Die SuS können das traditionelle Leben und die Integration der Urbevölkerung (Indianer, Eskimos) darstellen. Dazu wären sowohl überlieferte Musik als auch Tanz als auch die Ausgestaltung ihres persönlichen Lebens (Kunsthandwerk) zu thematisieren.
Oder sie können die Tierwelt des riesigen, dünn besiedelten Landes in den Mittelpunkt stellen, sie mit ihren Klimazonen in einem Wandfries zeigen oder sie pantomimisch darstellen und dabei ihre ökologische Betroffenheit zum Ausdruck bringen (Eis- und andere Bären, Robben, wilde Pferde).
Sie können aber auch das Leben in den Großstädten eines Landes, das mit uns in der OECD oder mit Großbritannien im Commonwealth verbunden ist, beschreiben und in mehreren Sketchs typische Sitten/Verhaltensweisen vorführen.
Oder sich über die Einwanderungspolitik Kanadas informieren und eines der klassischen Einwanderungsländer mit ganz abweichenden Integrationsvorstellungen beschreiben.
Einstufung und Leistungsbewertung
Die individuelle Förderung der KPS basiert schulorganisatorisch auf der Kommunikation zwischen dem Schulpsychologen (diagnostische Datengrundlage für jeden Schüler) und den Lehrkräften. Die Empfehlungen des Schulpsychologen geben an, welches Anspruchsniveau für einen Schüler anzusteuern ist, die Lehrkräfte setzen dies um und geben (dauerhaft unterrichtsbegleitend) Rückmeldung an den Schulpsychologen, wie sich die Empfehlung bewährt hat. Aus diesem Austausch entwickelt sich die Treffsicherheit des Unterrichts „auf mittlerem Anspruchsniveau“ für jedes Kind. Der Austausch erfolgt in einem digitalen Kommunikationsraum, so dass bei der Arbeit an der individuellen Förderung immer auch Daten entstehen, die das Verhältnis von Anforderung und Erbringung jedes einzelnen Schülers betreffen. Diese Daten sind unterrichtsbegleitende Leistungsberichte, die eine valide Einschätzung ermöglichen und zugleich den verfälschenden Einfluss von Testsituationen umgehen.
Leistungskontrollen als formelle Tests werden ab Stufe 2 durchgeführt (ein Test/Halbjahr/Fach) und in Stufe 3 verdichtet (zwei Tests/Halbjahr/Fach), um die SuS an punktuelle Prüfungssituationen zu gewöhnen.
Die Stufen 1 und 2 erhalten von den Lehrkräften halbjährlich detaillierte Einschätzungen über das Erreichen der fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Diese werden in den Schülerakten als Noten festgehalten, um bei Bedarf (Wechsel in eine andere Schule/Schulform, ein anderes Bundesland) ein Notenzeugnis ausstellen zu können.
Ab Stufe 3 (Jgst. 9 und 10) werden Notenzeugnisse für alle Fächer erteilt. Dabei sollen die praktizierten Formen der Einschätzung der je erreichten Kompetenzniveaus beibehalten werden. Die bis dahin nur in den Akten festgehaltenen Entsprechungen in Zeugnissen werden in dieser Stufe aber den SuS und ihren Eltern in den üblichen Zeugnisformularen mitgeteilt.
Die Verweildauer der SuS in den jeweiligen Stufen beträgt zwischen einem und drei Jahren, entsprechend den Bestimmungen über die Versetzung (HSchG § 75) und über das Springen (VO zur Gestaltung des Schulverhältnisses, § 20).“