Vermittlung von kritischem Denken und Problemlösungsfähigkeiten

Originalpublikation: Lisa Gueldenzoph Snyder; Mark J. Snyder, 2008. Teaching Critical Thinking and Problem Solving Skills. The Delta Pi Epsilon Journal, Volume L, No. 2, p 90-99
https://dme.childrenshospital.org/wp-content/uploads/2019/02/Optional-_Teaching-Critical-Thinking-and-Problem-Solving-Skills.pdf
Lisa Gueldenzoph Snyder ist außerordentliche Professorin für Wirtschaftspädagogik an der School of Business and Economics der North Carolina A&T State University in Greensboro, NC.
Mark J. Snyder ist außerordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Love School of Business der Elon University in Elon, North Carolina.

Hinweise:
Dieser Aufsatz hat die Zielgruppe Sek II, Wirtschaftspädagogik. Gleichwohl sind die Inhalte ohne weitere Umarbeitung auf die Sek. I zu übertragen.
Die Stellen, in denen explizite Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung gemacht werden, sind rot hervorgehoben.
Die Literaturangaben sind der Originalarbeit zu entnehmen.
Deutsche Fassung: überarbeitete Deepl Übersetzung

Abstrakt
Kritisches Denken ist eine erlernte Fähigkeit, die Anleitung und Übung erfordert. Lehrkräfte der Wirtschaftspädagogik auf Sekundar- und Hochschulebene können die Fähigkeiten der Schüler zum kritischen Denken verbessern, indem sie
–   Unterrichtsstrategien anwenden, die die Schüler aktiv in den Lernprozess einbeziehen, anstatt sich auf Vorträge und Auswendiglernen zu verlassen,
–   die Konzentration des Unterrichts auf den Lernprozess und nicht nur auf den Inhalt lenken und
–   Beurteilungen fordern, die den Schülern eine intellektuelle Herausforderung bieten, anstatt Wissen aus dem Gedächtnis abzurufen.
Dem Unterricht in kritischem Denken können mehrere Hindernisse entgegenstehen. Mangelnde Ausbildung, begrenzte Ressourcen, voreingenommene Vorurteile und zeitliche Beschränkungen verhindern ein Lernumfeld, das kritisches Denken fördert. Die aktive Beteiligung von Schülern an projektbasierten oder gemeinschaftlichen Aktivitäten kann jedoch die Entwicklung des kritischen Denkens der Schüler fördern, wenn die Lehrkräfte den Denkprozess vorleben, effektive Fragetechniken anwenden und die kritischen Denkprozesse der Schüler anleiten. Die angeführten Beispiele fordern die Lehrkräfte dazu auf, die Schüler als Nutzer von Informationen und nicht als Empfänger zu betrachten.

„Es ist möglich, den Verstand mit einer Million Fakten zu füllen und trotzdem völlig ungebildet zu sein“. Alec Bourne

Einführung

Was ist kritisches Denken, und warum ist es so wichtig? Die Critical Thinking Community definiert kritisches Denken als →
„den intellektuell disziplinierten Prozess des aktiven und geschickten Konzeptualisierens, Anwendens, Analysierens, Synthetisierens und/oder Evaluierens von Informationen, →
die durch Beobachtung, Erfahrung, Reflexion, Argumentation oder Kommunikation gewonnen oder erzeugt wurden, →
als Leitfaden für Glauben und Handeln“ (Scriven & Paul, 2007, S. 1).
Kritisches Denken wird auch als Metakognition (Tempelaar, 2006) oder als der Prozess des „Denkens über das Denken“ bezeichnet, wie er von Flavell (1979) definiert und ursprünglich beabsichtigt wurde. Die Fähigkeit zum kritischen Denken ist wichtig, weil sie die Schüler in die Lage versetzt, „mit sozialen, wissenschaftlichen und praktischen Problemen effektiv umzugehen“ (Shakirova, 2007, S. 42). Einfach ausgedrückt: Schüler, die in der Lage sind, kritisch zu denken, sind auch in der Lage, Probleme effektiv zu lösen. Es reicht nicht, nur über Wissen oder Informationen zu verfügen. Um am Arbeitsplatz (und im Privatleben) erfolgreich zu sein, müssen die Schüler in der Lage sein, Probleme zu lösen und wirksame Entscheidungen zu treffen; sie müssen in der Lage sein, kritisch zu denken.

Kritisches Denken ist kein neues Konzept. „In den fast 300 Jahren der Politikgestaltung in den Vereinigten Staaten haben Pädagogen acht allgemeine Ziele der Schulbildung gefördert: grundlegende akademische Fähigkeiten, kritisches Denken und Problemlösung, soziale Fähigkeiten und Arbeitsethik, Bürgersinn, körperliche Gesundheit, emotionale Gesundheit, Kunst und Literatur sowie die Vorbereitung auf eine qualifizierte Beschäftigung“ (Rothstein, Wilder, & Jacobsen, 2007, S. 8). Der Wirtschaftsunterricht befasst sich direkt mit Arbeitsethik und der Vorbereitung auf eine qualifizierte Beschäftigung sowie mit kritischem Denken und Problemlösung. Dennoch fällt es vielen Lehrern immer wieder schwer, die Schüler zum kritischen Denken anzuregen (Tempelaar, 2006), und die Schüler nutzen nur selten die Fähigkeiten zum kritischen Denken, um komplexe, reale Probleme zu lösen (Bartlett, 2002; Rippin, Booth, Bowie, & Jordan, 2002). Und warum?

Die Antwort liegt vielleicht in unseren Lehrmethoden. Zwei Zitate, die oft zusammen zitiert werden, spiegeln diese Vermutung wider (zitiert von Schafersman, 1991). Erstens erklärte Clement (1979), dass „wir den Schülern beibringen sollten, wie sie denken sollen. Stattdessen bringen wir ihnen bei, was sie denken sollen“ (S. 1). Zweitens stellte Norman (1981) fest, dass „es seltsam ist, dass wir von den Schülern erwarten, dass sie lernen, ihnen aber nur selten etwas über das Lernen beibringen“ (S. 1). Obwohl der Inhalt wichtig ist, ist der Prozess, wie die Schüler den Stoff lernen, ebenso wichtig. Ziel dieses Artikels ist es daher, Sekundärforschung zu analysieren und zusammenzufassen, um bewährte Verfahren für die Einbeziehung von Lehrmethoden für kritisches Denken in den Wirtschaftsunterricht sowohl auf der Sekundar- als auch auf der Hochschulebene vorzustellen. Zunächst wird kritisches Denken in Bezug auf die Unterrichtsgestaltung beschrieben. Dann werden die Hindernisse für kritisches Denken skizziert. Schließlich Unterrichtsstrategien zur Förderung der Fähigkeiten der Schüler zum kritischen Denken sowie Beispiele für kritisches Denken in der Wirtschaftsausbildung vorgestellt.

Wie sich kritisches Denken auf die Gestaltung von Unterricht auswirkt

Die Prämisse, dass kritisches Denken zum Wissen gehört wie das Zuhören zum Hören, impliziert, dass kritisches Denken eine erlernte Fähigkeit ist, die entwickelt, geübt und kontinuierlich in den Lehrplan integriert werden muss, um die Schüler zum aktiven Lernen zu bewegen. Um diese Prämisse zu unterstützen, muss der Anwendung von Inhalten, dem Lernprozess und den Bewertungsmethoden besondere Aufmerksamkeit ge­schenkt werden.

Was die Anwendung von Inhalten angeht, so unterstützen Lehrmethoden, die das Auswendiglernen (oft von temporärem Wissen) fördern, nicht das kritische Denken. Obwohl einige Inhalte, wie z. B. Vokabeldefinitionen, auswendig gelernt werden müssen, ist es die Anwendung der Inhalte, die das Denken anregt. Ein Unterricht, der kritisches Denken fördert, setzt Fragetechniken ein, die von den Schülern verlangen, Informationen zu analysieren, zusammenzufassen und zu bewerten, um Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen (Denken), anstatt nur Informationen zu wiederholen (Auswendiglernen). Da kritisches Denken eine geistige Gewohnheit ist, die von den Schülern verlangt, dass sie über ihr Denken und die Verbesserung des Prozesses nachdenken, erfordert es von den Schülern, dass sie Denkfähigkeiten höherer Ordnung einsetzen – und nicht Daten auswendig lernen oder akzeptieren, was sie lesen oder ihnen gesagt wird, ohne kritisch darüber nachzudenken (Scriven & Paul, 2008; Schafersman, 1991; Templeaar, 2006). Kritisches Denken ist also ein Produkt von Bildung, Training und Praxis.

Um die Fähigkeiten zum kritischen Denken mit dem Inhalt zu verbinden, sollte der Schwerpunkt des Unterrichts auf dem Lernprozess liegen. Wie erhalten die Schüler die Informationen? Die Forschung stützt die Prämisse, dass Vorlesungen und Auswendiglernen nicht zu langfristigem Wissen führen oder zu der Fähigkeit, dieses Wissen auf neue Situationen anzuwenden (Celuch & Slama, 1999; Daz-Iefebvre, 2004; Kang & Howren, 2004). Traditionelle Lehrmethoden verwenden zu viele Fakten und nicht genug Konzeptualisierung; zu viel Auswendiglernen und nicht genug Denken. Daher fördern Vorlesungen und Auswendiglernen nicht das kritische Denken. Unterrichtsstrategien, die die Denkfähigkeiten der Schüler auf höherer Ebene nutzen, führen zu einer Verbesserung der Fähigkeiten zum kritischen Denken (Duplass & Ziedler, 2002; Hemming, 2000; Wong, 2007).

Darüber hinaus sollten die Beurteilungen der Leistungen eher das Denken als die Fakten betonen (Ennis, 1993). Benotete Aufgaben, Tests oder Prüfungen sollten eher eine intellektuelle Herausforderung als eine Gedächtnisleistung darstellen (Schafersman, 1991). Subjektive Instrumente wie Aufsätze und Fallstudien verlangen von den Schülern, ihr Wissen auf neue Situationen anzuwenden, und sind bessere Indikatoren für das Verständnis als objektive Richtig/Falsch- oder standardisierte Multiple-Choice-Bewertungen. Die Lehrkräfte können jedoch Multiple-Choice-Fragen erstellen, die kritisches Denken erfordern. Eine Frage, bei der die Schüler aufgefordert werden, das Beispiel zu nennen, das ein bestimmtes Konzept am besten umsetzt, erfordert mehr kritisches Denken und Analyse als eine Frage, bei der die Schüler den richtigen Begriff für eine bestimmte Definition finden sollen. Ennis erklärte, dass Multiple-Choice-Tests zwar aufwändiger zu erstellen sind als offene Beurteilungen des kritischen Denkens, aber einfacher zu bewerten sind. Um die Verarbeitungsfähigkeiten der Schüler zu verbessern, ist es wichtig, die Testfragen zu überprüfen und die richtigen Antworten zu erklären, indem [nicht nur nach „Richtig“ und „Falsch“ unterschieden wird, sondern] der Prozess des kritischen Denkens nachgeahmt wird (Brown & Kelly, 1986; Duplass & Ziedler, 2002; Schafersman, 1991).

Hemmnisse für kritisches Denken

Mehrere Forscher (Landsman & Gorski, 2007; Sandholtz, Ogawa, & Scribner, 2004; Sheldon & Biddle, 1998; Wong, 2007) weisen darauf hin, dass der derzeitige Bildungstrend, Lehrpläne zu standardisieren und sich auf Testergebnisse zu konzentrieren, die Fähigkeit der Lehrkräfte untergräbt, kritisches Denken im Unterricht zu fördern. Die Betonung des „Lehrens für den Test“ lenkt den Lernprozess vom schülerzentrierten Unterricht ab und legt den Schwerpunkt auf den Inhalt. Wenn der Schwerpunkt auf dem Lernen liegt, sollte den Schülern die Freiheit (und die Verantwortung) gegeben werden, Inhalte zu erforschen, Ressourcen zu analysieren und Informationen anzuwenden.

Leider wird Schülern in der Regel nicht beigebracht, selbstständig zu denken oder zu lernen, und sie eignen sich diese Fähigkeiten selten von selbst an (Ladsman & Gorski, 2007; Lundquist, 1999; Rippen, Booth, Bowie, & Jordan, 2002). Kritisches Denken ist keine angeborene Fähigkeit. Auch wenn einige Schüler von Natur aus neugierig sind, müssen sie trainiert werden, um systematisch analytisch, fair und aufgeschlossen nach Wissen zu suchen. Mit diesen Fähigkeiten können die Schüler selbstbewusst argumentieren und ihre Fähigkeit zum kritischen Denken auf jeden Inhaltsbereich oder jede Disziplin anwenden (Lundquist, 1999). Kritisches Denken wird oft mit der wissenschaftlichen Methode verglichen; es ist ein systematischer und prozeduraler Ansatz für den Prozess des Denkens (Scriven & Paul, 2007). So wie die Schüler den Prozess der wissenschaftlichen Methode erlernen, müssen sie auch den Prozess des kritischen Denkens erlernen.

Vier Hindernisse stehen der Integration des kritischen Denkens in den Unterricht häufig im Wege:
(1) mangelnde Ausbildung,
(2) Mangel an Informationen,
(3) Vorurteile und
(4) Zeitnot.
Erstens sind die Lehrer oft nicht in der Methodik des kritischen Denkens ausgebildet (Broadbear, 2003). Grund- und Sekundarschullehrer kennen die Inhalte und werden in den Unterrichtsmethoden geschult, aber nur ein kleiner Teil ihrer Ausbildung ist speziell der Vermittlung von Fähigkeiten zum kritischen Denken gewidmet, wenn überhaupt. Lehrkräfte der Sekundarstufe II absolvieren während ihres Studiums eine zusätzliche inhaltsbezogene Ausbildung, verfügen aber häufig über keine formale methodische Ausbildung, geschweige denn über eine Ausbildung zum Training von „Skills“. Und nur wenige Lehrmaterialien bieten Ansatzpunkte für kritisches Denken (Scriven & Paul, 2007). Einige Lehrbücher bieten kapitelbezogene Fragen zum kritischen Denken, aber in den Lehrmaterialien selbst fehlen oft erforderlichen Ressourcen zum kritischen Denken.

Sowohl Lehrer als auch Schüler haben [oft] Einstellungen in Bezug auf den Inhalt, die ihre Fähigkeit, kritisch über den Stoff nachzudenken, blockieren. Vorurteile wie persönliche Voreingenommenheit verhindern kritisches Denken, weil sie analytische Fähigkeiten wie Fairness, Aufgeschlossenheit und Neugier auf ein Thema verhindern (Kang & Howren, 2004).  …

Schließlich sind auch zeitliche Beschränkungen ein Hindernis für die Integration von Fähigkeiten zum kritischen Denken in Unterricht. Die Lehrkräfte müssen oft sehr viele Inhalte in einem kurzen Zeitraum vermitteln. Wenn der Schwerpunkt auf dem Inhalt und nicht auf dem Lernen der Schüler liegt, werden Abkürzungen wie vorlesungsförminger Unterricht und objektive Tests zur Norm. Vorlesungen sind schneller und einfacher als die Integration von projektbasierten Lernmöglichkeiten. Objektive Tests sind schneller zu absolvieren (und zu benoten) als Beurteilungen von subjektiven Leistungen. Die Forschung zeigt jedoch, dass Vorlesungen nicht die beste Unterrichtsmethode sind und objektive Tests nicht die beste Bewertungsmethode (Broadbear, 2003; Brodie & Irving, 2007).

Unterrichtsstrategien für die Integration von Fähigkeiten zum kritischen Denken

Selbst wenn die typischen Hindernisse überwunden sind, erfordert kritisches Denken mehr als nur Engagement. Es beinhaltet die persönliche Entdeckung von Informationen durch die Schüler. In einer Studie, in der das Lernen von Schülern untersucht wurde (Nokes, Dole, & Hacker, 2007), erzielten Schüler, die heuristische Techniken zur Problemlösung einsetzten, bei inhaltsbezogenen Beurteilungen durchweg bessere Ergebnisse als solche, die mit traditionellen Lehrbuch- und Vorlesungsmethoden lernten. Heuristische Lehrmethoden ermutigen die Studierenden, „zu lernen, zu entdecken, zu verstehen oder Probleme auf eigene Faust zu lösen, z. B. durch Experimentieren, Beurteilen möglicher Antworten oder Lösungen oder durch Versuch und Irrtum“ (Dictionary.com, 2007, S. 1). Eine ähnliche Studie kam zu dem Schluss, dass problemorientierte Lernaktivitäten „kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten, die aktive Teilnahme am Lernprozess, einschließlich Selbststeuerung, Identifizierung der eigenen Lernbedürfnisse, Teamarbeit, kreative Diskussionen und Lernen von Gleichaltrigen, sowie die Integration und Synthese“ fördern. (Gurses, Acikyildiz, Dogar, & Sozbilir, 2007, p. 1). Kumar und Natarajan (2007) stellten ebenfalls fest, dass problemorientierte Lernumgebungen die Denkfähigkeit und den Wissenserwerb der Schüler fördern. Ein vergleichbares Konzept ist das arbeitsbezogene Lernen. Wie Brodie und Irving (2007) feststellten, basiert arbeitsbezogenes Lernen (WBL) „auf der Wechselbeziehung und gegenseitigen Abhängigkeit zwischen verstehendem Lernen, kritischer Reflexion und der Identifizierung und Entwicklung von Fähigkeiten in einem WBL-Kontext“ (S. 11).

Viele Forscher im Bereich der Wirtschaftsausbildung haben sich mit kritischem Denken beschäftigt. Rippin et al. (2002) untersuchten den Einsatz von Fallstudienmethoden in Grundkursen der Wirtschaftspädagogik. Braun (2004) konzentrierte sich auf die Verbesserung von Methoden zum kritischen Denken bei der Entwicklung von Lehrplänen für die Wirtschaftsausbildung. Celuck und Slama (1999) ermittelten Methoden zur Integration von Fähigkeiten zum kritischen Denken in Wirtschaftskurse. Andere Forscher (Catanach, Croll, & Grinaker, 2000; Saraoghu, Yobaccio, & Louton, 2000) untersuchten praktische Aktivitäten, die von den Schülern kritisches Denken und die Anwendung ihres Wissens auf spezifische Aufgaben verlangten. In fast allen Studien, die Methoden zur Integration von Fähigkeiten zum kritischen Denken vorschlugen, wurden die Elemente Modellieren, Hinterfragen und Anleiten der Schüler zum Üben betont.

Modellierung kritischer Denkfähigkeiten

Obwohl Schüler der Wirtschaftspädagogik kritisches Denken als eine wichtige Fähigkeit ansehen (Davis, Riley, & Fisher, 2003), wissen sie in der Regel nicht, wie sie kritisch denken sollen. Die Fähigkeit, kritisch zu denken, wird den Studierenden nicht in die Wiege gelegt, und ihre bisherigen Lernerfahrungen verlangen oft nicht, dass sie kritisch denken. Daher müssen Lehrkräfte, die diese Fähigkeit in ihren Unterricht integrieren wollen, dieses Verhalten zunächst vorleben (Hemming, 2000). Die Schüler müssen lernen, wie man kritisch denkt, bevor sie diese Fähigkeit auf inhaltliche Szenarien anwenden können. Dies kann in einem Gespräch geschehen, in dem man eine Frage stellt und die Schüler durch den Prozess des kritischen Denkens „führt“.

Außerdem sollten Aktivitäten zum kritischen Denken auf einer Struktur beruhen, die vier Elemente umfasst: „Unstrukturierte Probleme, Kriterien für die Beurteilung des Denkens, Beurteilung des Denkens durch die Schüler und Verbesserung des Denkens“ (Broadbear, 2003, S. 7). Unstrukturierte Probleme sind Fragen, Fallstudien oder Szenarien, auf die es keine eindeutige richtige oder falsche Antwort gibt; sie beinhalten diskutierbare Themen, die ein „reflektiertes Urteil“ erfordern. Wenn die Schülerinnen und Schüler zum Beispiel aufgefordert werden, vergleichbare Websites wie Wal-Mart und Target zu beurteilen, müssen sie über den Inhalt der Websites, ihr Format und ihre Benutzerfreundlichkeit nachdenken. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten, solange die Entscheidung der Schüler durch logische Überlegungen gestützt wird.

Das zweite Element, die Kriterien für die Beurteilung des Denkens, gibt den Schülern einen Rahmen vor, in dem sie über ihr Denken nachdenken können. Warum denken Sie, dass die Navigationsmenüs von Target einfacher zu bedienen sind als die von Wal-Mart? Warum gefällt Ihnen das Farbschema des einen besser als das des anderen? Worauf gründet sich Ihre Sichtweise? Wenn man den Schülern ein individuelles Feedback auf der Grundlage ihrer Antworten gibt, können sie spezifische Kriterien ansprechen, anhand derer sie ihr Denken beurteilen können – was das dritte Element darstellt. Wenn die Ausbilder die Kriterien für die Beurteilung des Denkens vorleben und einen Rahmen vorgeben, werden die Schüler diese Techniken schließlich selbst anwenden (Lundquist, 1999).

Am Ende des Prozesses steht die Verbesserung des Denkens. Durch die Schaffung einer Untersuchungskultur, in der die Schüler über ihre Denkprozesse nachdenken und logische Konstruktionen üben können, werden die Schüler eher bereit sein, ihr Denken zu überdenken und zu überarbeiten (Duplass & Ziedler, 2002).

Fragetechniken

In ihren Untersuchungen betonten Haynes und Bailey (2003), wie wichtig es ist, die richtigen Fragen zu stellen, um die Fähigkeiten der Schüler zum kritischen Denken zu fördern. Andere Forscher (Brown & Kelley, 1986; Hemming, 2000) konzentrierten sich ebenfalls auf die Integration von Fragetechniken in Klassendiskussionen, um ein pädagogisches Umfeld zu schaffen, in dem Schüler ihre Fähigkeiten zum kritischen Denken demonstrieren und üben können. Das Buch von Brown und Kelley, Asking the Right Questions: A Guide to Critical Thinking (Ein Leitfaden für kritisches Denken), geht von der Prämisse aus, dass das kritische Denken der Schüler am besten gefördert wird, wenn die Lehrkräfte Fragen einsetzen, um die Schüler aktiv in den Arbeitsprozess einzubeziehen. Zu den Beispielfragen aus all diesen Studien gehören die folgenden:

    • Was halten Sie davon?
    • Wie kommst du darauf?
    • Worauf gründet sich dein Wissen?
    • Was wird impliziert und vorausgesetzt?
    • Was wird erklärt, wie kommt man darauf, wohin führt das?
    • Wie sehen Sie das?
    • Sollte das anders betrachtet werden?

Diese Fragen verlangen von den Studierenden, dass sie die Klarheit und Genauigkeit ihres Denken sowie dessen Tiefe und Breite beurteilen. Haben sie alle Alternativen in Betracht gezogen? Wissen sie, warum sie so denken, wie sie denken? Die Schüler müssen herausfinden, ob die von ihnen verwendeten Inhalte relevant sind und ob ihr Denkprozess logisch ist. Indem sie ihren Denkprozess hinterfragen, können die Schüler beginnen, über ihr Denken nachzudenken.

Forschungen zur Fragemethodik legen auch nahe, dass Lehrkräfte auf die Antworten der Schüler warten sollten (Brown & Kelley, 1986; Hemming, 2000). Allzu oft wird das Schweigen der Schüler dadurch überbrückt, dass der Ausbilder die Frage umformuliert oder einen anderen Schüler um eine Antwort bittet. Die meisten Schüler brauchen jedoch mindestens 8 bis 12 Sekunden, um ihre Antwort zu verarbeiten und zu formulieren, insbesondere in Situationen, in denen es um kritisches Denken geht (Schafersman, 1991). Wenn eine Frage auf dem Auswendiglernen von Informationen beruht, kann Schnelligkeit von Bedeutung sein; Denken erfordert jedoch Zeit und Geduld. Geben Sie den Schülern die Zeit, die sie brauchen, um kritisch zu denken.

Die Forschung liefert auch Strategien für den Einsatz von Befragungsmethoden in Online-Lernumgebungen (Astleitner, 2002; MacKnight 2000). Diskussionsforen, virtuelle Chatrooms und Sofortnachrichten bieten Foren für Fragen und kritisches Denken. In synchronen Umgebungen können die Lehrkräfte die Studierenden befragen, während diese ihre Antworten verfassen. Obwohl dies bei asynchroner Kommunikation nicht möglich ist, können Lehrkräfte den Prozess des kritischen Denkens modellieren und Aktivitäten zuweisen, die Fragetechniken und Reaktionen im Sinn des kritischen Denkens nutzen. In allen Lernumgebungen ist es wichtig, die Schüler durch den Prozess des kritischen Denkens zu führen.

Anleitung zum kritischen Denken der Schüler

Wenn Schüler daran gewöhnt sind, passiv zu lernen, indem sie lediglich Informationen auswendig lernen und abrufen, kann es anfangs schwierig sein, sie in aktive Lernsituationen zu bringen, die kritisches Denken erfordern (Brown & Kelley, 1986). Die Lehrkräfte sollten sich des anfänglichen Widerstands der Studierenden bewusst sein und sie durch den Prozess führen. Die Aufgabe besteht darin, eine Lernumgebung zu schaffen, in der sich die Studierenden wohl fühlen, wenn sie über eine Antwort nachdenken können, anstatt einfach eine Antwort zu haben. So können beispielsweise Peer-Coaching-Techniken die Schüler zu aktivem Lernen und kritischem Denken anregen (Ladyshewsky, 2006). Teilen Sie die Schüler in Zweierteams ein; ein Schüler ist der Problemlöser, der andere ist der Peer-Coach. Mit Hilfe der Sechs Schritte zum effektiven Denken und Problemlösen oder „IDEALS“ (Facione, 2007) arbeitet sich der Problemlöser durch eine Fallstudie oder eine Aktivität, indem er auf die Fragen des Peer Coaches antwortet. Die IDEALS sind Identifizieren, Definieren, Aufzählen, Analysieren, Auflisten und Selbstkorrektur:

I      Identifizieren Sie das Problem: Was ist die eigentliche Frage, vor der wir stehen?
D     Definieren Sie den Kontext: Was sind die Fakten, die das Problem bestimmen?
E      Zählen Sie die Wahlmöglichkeiten auf: Was sind plausible Optionen?
A     Analysieren Sie die Optionen: Was ist die beste Vorgehensweise?
L      Gründe explizit auflisten: Warum ist dies die beste Vorgehensweise?
S      Selbstkorrektur: Sehen Sie es sich noch einmal an … Was haben wir übersehen?

Diese Problemlösungstechnik führt die Schüler durch den Prozess des kritischen Denkens und nutzt die Zusammenarbeit der Lernenden. Ähnliche Strategien umfassen die Integration von projektbasierten Lernaktivitäten, bei denen die Schüler ihr Wissen anwenden müssen, indem sie ein reales Produkt konstruieren. Als letzte Orientierungshilfe für die Praxis der Schüler können Peer-Bewertungen eingesetzt werden, um das kritische Denken und die metakognitiven Fähigkeiten der Schüler zu fördern (Hou, Chang, & Sung, 2007).

Beispiele für kritisches Denken in der Wirtschaftsausbildung

Viele Strategien des kritischen Denkens sind in Wirtschaftskursen auf allen Ebenen erfolgreich eingesetzt worden. In der Sekundarstufe stellte Bartlett (2002) fest, dass Wirtschaftsschüler der Oberstufe kritisches Denken als die wichtigste kognitive Strategie einstuften. Shakirova (2007) untersuchte den Einsatz von Technologie zur Förderung der Fähigkeiten von Oberstufenschülern zum kritischen Denken.

Auf universitärer Ebene untersuchte Tempelaar (2006) die Rolle des kritischen Denkens in betriebswirtschaftlichen Ausbildungsprogrammen und fand eine positive Korrelation zwischen kritischem Denken (das als Teilmenge der Metakognitionsfähigkeiten identifiziert wurde) und der Kursleistung. Hannon, McBride und Burns (2004) entwickelten ein Modul zum kritischen Denken in einem Grundstudium der Betriebswirtschaftslehre, das mit Hilfe von Erfahrungsübungen die Entscheidungs- und Konfliktlösungsfähigkeiten der Studierenden verbessern sollte.

Die meisten Untersuchungen konzentrierten sich auf kollaborative Lernaktivitäten, um die Fähigkeiten der Studierenden zum kritischen Denken zu entwickeln (Yazici, 2004). Ngai (2007) beispielsweise dokumentierte die Verwendung eines projektbasierten Teamansatzes für eine E-Commerce-Aktivität im Grundstudium. Die Ergebnisse von Studentenbefragungen und -beurteilungen zeigten, dass die Studenten durch die praktische Anwendung von „Learning-by-doing“ und die für das Projekt erforderliche Zusammenarbeit Fähigkeiten zum kritischen Denken erwarben. Dudley, Davis, und McGrady (2001) berichteten ebenfalls über den Einsatz von Fähigkeiten zum kritischen Denken bei Studenten der Rechnungslegung, die ein Gruppenprojekt zur hypothetischen Erstellung von Aktienportfolios durchführten. Ein ähnliches Ergebnis wurde erzielt, als Whatley und Dyck (2000) Entwicklungsszenarien des Internationalen Währungsfonds auf internationale Wirtschaftsthemen mit MBA-Studenten anwandten. Die Fallmethode wurde auch von Rippen et al. (2002) verwendet, um den Studenten die Erfahrung zu vermitteln, dass sie ihre Interventionsfähigkeiten üben und komplexe Probleme lösen können. Mit ein wenig Recherche und Kreativität können Lehrkräfte Ressourcen finden, die die Integration von Aktivitäten zum kritischen Denken in ihre Kurse erleichtern.

Schlussfolgerung

Das Ziel für Lehrkräften, die in ihrem Unterricht die Fähigkeit zum kritischen Denken fördern wollen, besteht darin, ihre Schüler nicht als Empfänger von Informationen, sondern als Nutzer von Informationen zu sehen. Lernumgebungen, die die Schüler aktiv in die Untersuchung von Informationen und die Anwendung von Wissen einbeziehen, fördern ihre Fähigkeiten zum kritischen Denken. Wie jede andere Fähigkeit erfordert jedoch auch das kritische Denken Training, Übung und Geduld. Schüler können sich anfangs gegen nicht vertraute Fragetechniken sträuben, wenn von ihnen bisher nur verlangt wurde, sich Informationen zu merken und nicht darüber nachzudenken, was sie wissen. Sie haben möglicherweise Schwierigkeiten mit Beurteilungen, die nicht wortwörtlich aus dem Buch übernommen wurden. Wenn man die Schüler jedoch während des gesamten Prozesses ermutigt und ihnen Denkmuster vorlebt, können sich ihre Fähigkeiten zum kritischen Denken verbessern. Die Mühe lohnt sich: Die Schüler entwickeln sich und sind in der Lage, selbständig kritisch zu denken und Probleme der realen Welt zu lösen.