Wir führen in diesem Kapitel drei Forschungsrichtungen zusammen:
- Neuroanatomische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in Abhängigkeit von Hochbegabung
- Synapsenreduktion als Risikofaktor für psychopathologische Entwicklungen
- Der NP Faktor als gemeinsames Merkmal für psychopathologische Komorbiditäten
Die erste bahnbrechende Forschung – Intellectual ability and cortical development in children and adolescents – stammt bereits aus dem Jahr 2006. Sie bezieht sich auf die synaptische Reorganisation des Gehirns während bestimmter sensibler Phasen von der frühen Kindheit bis zum Ende des Jugendalters (Reduktion der Synapsen und Kortexverdünnung). Die Reorganisation erfolgt jeweils zeitversetzt in Abhängigkeit von der Intelligenz, am spätesten bei Hochbegabten. – In unserem Aufsatz „Hochbegabung und psychische Störungen“ haben wir diesen Befund bereits 2013 inhaltlich kommentiert. Der wesentliche Punkt: Die Reorganisation führt zwar zu einer Verbesserung der Struktur, die Verspätung verlängert aber im Vergleich zu den Kindern mit schwächerer Intelligenz den Zustand der Fülle zu Lasten der Struktur. Bei Kindern zwischen 7 und 11 Jahren kommt es zu einem Zeitunterschied von 4 Jahren. – Bereits die Autoren dieser frühen Studie beobachteten einen Zusammenhang zwischen der synaptischen Reorganisation und den Symptomen von psychopathologischen Entwicklungen, besonders von ADHS.
Diese Beobachtung wird 2007 in der Studie „Attention-deficit/hyperactivity disorder is characterized by a delay in cortical maturation“ ausgeführt. Das wesentliche Ergebnis: Die Reorganisation des Gehirns erfolgt bei der Gruppe mit ADHS Symptomatik im Vergleich zur Kontrollgruppe ebenfalls zeitlich versetzt, hier um 3 Jahre, ein Hinweis darauf, dass die Symptomatik von Hochbegabten und Kindern mit ADHS gemeinsame Merkmale hat?
Die jüngere Arbeit von 2023 ist eine große internationale Studie, die den Befund von 2007 und weitere inhaltlich hierfür relevante vertiefend untersucht. A shared neural basis underlying psychiatric comorbidity greift frühe Beobachtungen auf, wonach die synaptischen Reorganisationen in den verschiedenen sensiblen Phasen das Gehirn anfällig für neuropsychopathologische Entwicklungen machen, und zwar in Abhängigkeit von Stress. Den mit Beginn der Pubertät besonders häufig auftretenden psychopathologischen Komorbiditäten liegt ein gemeinsamer Faktor zugrunde, der sogenannte NP Faktor.