Zur Assoziation von Händigkeit, Persönlichkeits- und kognitiven Leistungsparametern

Sonja Kuderer, 2014. „Zur Assoziation von Händigkeit, Persönlichkeits- und
kognitiven Leistungsparametern sowie der Digit Ratio“.  Universität Wien

Einleitung
Methoden und Durchführung
Ergebnisse
Diskussion
Literatur und Anhang

Zusammenfassung
Trotz der äußerlich erkennbaren Symmetrie im Aufbau des menschlichen Körpers erfolgt die Nutzung der Körperhälften aufgrund unterschiedlicher Funktionen und Fertigkeiten jedoch keinesfalls symmetrisch. Krombholz (1993) bezeichnet eine Präferenz im Gebrauch paarig angelegter Körperteile als Lateralität. Unter diesen Begriff fällt auch das Phänomen Händigkeit, die bevorzugte Verwendung einer bestimmten Hand. Ebenso weist das Gehirn unterschiedliche morphologische und funktionelle Charakteristika in den Hemisphären auf.
Diese Masterarbeit analysiert einerseits die Korrelation der Händigkeit mit persönlichen Eigenschaften sowie mit kognitiven Kompetenzen. Andererseits wird die Beziehung der Händigkeit und körperlicher Parameter untersucht. Die statistische Analyse der durch Fragebögen erhobenen Daten von 104 Probanden, darunter Links-, Rechts- und Beidhändige sowie umgelernte Personen, erlaubt die Überprüfung von sieben Hypothesen. Die Testpersonen werden nach ihrer Schreibhand und dem Händigkeits-Index – einem kalkulierten Wert der praktischen Handnutzung – analysiert.
Links- und Rechtshänder unterscheiden sich in der Nutzung der beiden Hände und weisen ungekreuzte Lateralitätspräferenzen auf. Linkshänder setzen jedoch ihre nicht-präferierte Hand häufiger ein als Rechtshänder. Zur 2D:4D Digit Rate kann kein Unterschied zwischen den untersuchten Gruppen nachgewiesen werden. Beim Sensation Seeking, bei der Gedächtnisleistung und beim logischen Schlussfolgern erreichen Linkshänder bessere Werte, während Rechtshänder bessere verbale Kompetenzen besitzen. Mehr linkshändige Verwandte bei Linkshändern belegen eine genetisch determinierte Lateralitätspräferenz.
Umgelernte zeigen eine homogenere Verwendung beider Arme als Rechts- oder Linkshänder. Ebenso weisen Beidhändige bei praktischen Aufgabenstellungen eine ausgeglichene Handverwendung auf und liegen in den erhobenen kognitiven Leistungen durchschnittlich zwischen den rechts- und linkshändigen Testpersonen.
Die Resultate dieser Studie belegen, dass die Händigkeit mit zahlreichen persönlichen, kognitiven und auch körperlichen Charakteristika assoziiert ist kann und diese Unterschiede in den nach dem Händigkeits-Index gebildeten Vergleichsgruppen schärfer zutage treten. Für weitere Untersuchungen empfiehlt sich eine replikative Analyse des Sensation Seeking-Verhaltens sowie die Betrachtung weiterer Persönlichkeitsmerkmale, welche potentiell im Zusammenhang mit der Händigkeit stehen.

Abstract
Although there exists a superficial symmetry of the human body, the use of both sides is all but symmetrical due to disparate functions and skills. Krombholz (1993) refers to the preference in the use of paired body parts as ‘laterality’. This includes also the favoured used of one hand, which is commonly known as ‘handedness’. Moreover, the human brain exhibits different morphological and functional characteristics in its two hemispheres.
The main foci of this master thesis are twofold. Firstly, the potential correlation between handedness and personality traits as well as cognitive performance is the subject of thorough scrutinity. In addition, the relationship between handedness and physical body paramters is inspected in great detail. The collection of questionnaire data from 104 research participants, including left- and right handed subjects as well as ambidextrous and relearned people, enables the investigation of seven hypotheses through statistical analysis. For these procedures the study population is divided according to writing hand and handedness-index – a calculated value, indicating the practical use of the hands.
Left- and right-handers differ highly significantly in their respective uses of the left and right hands and possess uncrossed preferences of laterality. Nevertheless, left-handed people use their unpreferred hand more often. With respect to the 2D:4D digit ratio, no differences are discernible between the handedness groups. The sensation seeking-behaviour, the memory performance, as well as the reasoning are dimensions in which left-handers dominate over right-handers. In contrast, right-handed respondents score more highly on a verbal level. Given that significantly more left-handed relatives are present in families of left-handed study participants, a genetically determined preference of laterality can be assumed.
Relearned people reveal a more homogenous use of their arms than right- and left-handers. Conversely, ambidextrous participants utilise both hands on a more balanced basis and their mean average in cognitive performance lies between those of left- and right-handers.
The results of this study suggest that handedness is a strong indicator for numerous personal, cognitive, as well as body parameters. Differences in these dimensions are more clearly pronounced when taking into account the handedness-index. Future studies could explore discrepancies between left- and right-handers with regard to sensation seeking-behaviour. A continued investigation of the potential influences of handedness on personal characteristics might provide a further area of interest for upcoming research projects.

Einleitung

Beim Gedanken an das Wort ‚Symmetrie‘ kommt mir im ersten Augenblick eine konkrete Zeichnung von Leonardo da Vinci ins Gedächtnis: die Abbildung „Der Vitruvianische Mensch“. Auf dieser ist ein nackter Mann mit ausgestreckten Armen und Beinen zu sehen, der mit seinen Fingerspitzen und Sohlen einen umgebenden Kreis und ein Quadrat berührt. Trotz der Entstehung dieser Skizze vor mehr als 500 Jahren weist diese auch heute noch weltweite Bekanntheit auf. Der Künstler hatte bereits damals ein intensives, ästhetisch motiviertes Interesse für symmetrische Figuren und daher beschreibt da Vinci´s Bild perfekte humane Proportionen. Dass diese Thematik auch heute noch nicht an Aktualität und Relevanz verloren hat, soll diese Masterarbeit aufzeigen.

Symmetrische Muster sind universell, finden sich überall in der Natur und stellen daher das grundlegendste Ordnungsprinzip dar. Symmetrie gilt zumeist als ansprechend, da strukturelle Ordnung, Klarheit und Übersicht von den meisten Individuen geschätzt werden. Im Laufe der Evolution ließen symmetrische Körperproportionen auf eine gute genetische Ausstattung schließen und wurden meist mit Eigenschaften wie Gesundheit, Robustheit und Stabilität assoziiert. Ebenso stellt der symmetrische Aufbau eines menschlichen Körpers in der heutigen Welt einen bedeutsamen Schönheitsparameter dar. Symmetrie wird zumeist als schön, harmonisch und angenehm empfunden, während asymmetrische Gesichter meist als weniger attraktiv eingeschätzt werden.

Das Nachschlagen des Begriffes ‚Symmetrie‘ im Lexikon (2004) führt zu der Definition „Eigenschaft eines ebenen oder räumlichen Gebildes, beiderseits einer [gedachten] Achse ein Spiegelbild zu ergeben“. Dieser spiegelbildliche Aufbau kann jedoch bei asymmetrischen Objekten nicht aufgefunden werden und diese werden daher als ungleichmäßig oder einfach nicht symmetrisch bezeichnet.

Ein simples Beispiel für den Symmetriebegriff stellt der menschliche Körper dar. Eine gedachte Linie entlang der Mitte eines Menschen liefert zwei spiegelbildliche Körperhälften mit je einem Ohr, einem Arm und einem Bein sowie einem halben Teil von Mund, Nase und Gehirn. Daher erscheint der Mensch bei einer anatomischen Betrachtung zumindest von außen äußert symmetrisch. Diese Charakteristik kann jedoch nicht vollständig auf die innere Anatomie eines Körpers übertragen werden. So befindet sich das Herz großteils auf der linken Seite während die Leber nur in der rechten Körperhälfte lokalisiert ist.

Verschiedene Aspekte der menschlichen Symmetrien und Asymmetrien sollen im Rahmen dieser Forschungsarbeit näher beschrieben werden. Eine zentrale Thematik stellt darin die bevorzugt asymmetrische Handverwendung innerhalb der Bevölkerung dar. Daher wird im Zuge dieser Untersuchung die auftretende Handpräferenz näher analysiert und wichtige Einflussfaktoren für die einseitige Nutzung der Hände beleuchtet. In weiterer Folge wird die Korrelation dieser Asymmetrie der Hände mit kognitiven Leistungsvariablen wie der Sprachproduktion und der Wortflüssigkeit, dem logischen Schlussfolgern sowie der kurz-und mittelfristigen Gedächtnisleistung analysiert, wobei unterschiedliche psychometrische Verfahren zum Einsatz kommen. Zudem wird die präferierte Nutzung einer Hand in Bezug zu anthropologischen sowie persönlichen Merkmalen gesetzt.

1 – (A)SYMMETRIEN DES MENSCHLICHEN KÖRPERS

Aufgrund diverser paarig angelegter Körperteile erscheint der menschliche Körper nur bei kurzer oberflächlicher Betrachtung symmetrisch. Entlang einer gedachten Linie kann eine Aufteilung in zwei spiegelbildliche Körperhälften erfolgen. Dieser augenscheinlich entstandene Eindruck von Symmetrie trügt jedoch. Während der äußerliche Gesamteindruck eine symmetrische Nutzung und Funktion vermuten lässt, so besitzt in Wirklichkeit nur die Gestalt und der Aufbau des Körpers eine symmetrische Grundlage. Tatsächlich weist der Einsatz sowie die Fertigkeiten und die daraus resultierende Präferenz der Extremitäten, Augen oder Ohren starke Asymmetrien bezüglich einer der beiden Seiten des Körpers auf. Im Allgemeinen hat sich zumeist der Schwerpunkt für die bevorzugte Verwendung evolutionär bedingt auf die rechte Seite verlagert. Bereits 1964 konnten Hecaen und deAjuriaguerra am Beispiel der Hände zeigen, dass innerhalb der Menschheit eine starke Präferenz für die rechte Hand herrscht.

Zur Zuordnung der Organe und Extremitäten zu den zugehörigen Seiten bedient man sich zumeist zweier Adverbien, welche eine genauere Beschreibung der Lokalisierung ermöglichen. Mithilfe der nachfolgenden Beleuchtung der beiden adverbialen Begriffe ‚rechts‘ und ‚links‘ soll in weiterer Folge der Ursprung dieser einseitigen Benützung geklärt werden. In diesem Zusammenhang werden Definitionen präsentiert sowie auf deren genaue Bedeutung und Herkunft näher eingegangen.

1.1 Die Begriffe ‚links‘ und ‚rechts‘

Zur gegensätzlichen Beschreibung einer Orientierung werden hauptsächlich die beiden Antonyme rechts und links eingesetzt. In der Regel bilden diese beiden Seitenbezeichnungen ein festes Begriffspaar, welches bereits gemeinsamen historischen Veränderungen unterworfen war. Die etymologische Bedeutung der beiden Ausdrücke wurde daher stark von vorhandenen Idealvorstellungen, Mythen und dem Glauben der Personen geprägt (Sanders, 1998).

Im Nachschlagewerk „Duden Die deutsche Rechtschreibung“ (2004) wird der Begriff ‚rechts‘ auf den mittelhochdeutschen Ausdruck „reht“ zurückgeführt, welcher „richtig“ bedeutet. Im Gegensatz dazu stammt der Terminus ‚links‘ vom mittelhochdeutschen „linc“ oder „lenc“ ab, der mit „linkisch“ näher beschrieben werden kann. Bereits diese prägnante Beschreibung der beiden Adverbien illustriert den stark differenzierenden Status der Sympathie deutlich. Dieser Effekt wird ebenso durch eine Betrachtung der beiden Ausdrücke in weiteren Sprachen verstärkt. Im Englischen (right/left), Französischen (droit/gauche) oder Lateinischen (dexter/sinister) besitzen die Vokabel für die linke Seite meist eine negative Behaftung, während dem Rechten meist eine positive Bedeutung zukommt.

Eine Analyse des historischen Kontexts illustriert, dass bereits in früheren Zeiten ‚rechts‘ mit Eigenschaften wie kräftig, tüchtig, geschickt, günstig, gerade oder besser in Verbindung gebracht, während ‚links‘ mit Konnotationen wie schwach, schlaff, ungeschickt, ungünstig, krumm, schief, stotternd, lahm oder schlimm belegt wurde (Sanders, 1998). Der Unterschied der beiden Antonyme wird darüber hinaus auch durch allgemein bekannte Sprichwörter deutlich. So wird die linke Seite für negative Ausdrücke wie „mit dem linken Fuß aufstehen“, „ein linker Kerl sein“, „zwei linke Hände haben“ oder „jemanden links liegen lassen“ eingesetzt. Entsprechende Aussagen welche den Begriff ‚rechts‘ umfassen erwecken zumeist einen positiven Eindruck wie „das Herz auf dem rechten Fleck haben“ oder „eine rechte Hand haben“.

Diese konträre Assoziation von ‚links‘ und ‚rechts‘ spielt ebenso im Glauben und den Religionen eine zentrale Rolle. Laut Olsson und Rett (1989) stellt das Linke ein Symbol des Bösen und Minderen im Glauben dar. Demgegenüber wurde der Terminus ‚rechts‘ mit positiven Assoziationen behaftet, wie aus der Erzählung von Matthäus (25, 31-46) erkennbar. In dieser werden die guten Schafe auf die rechte Seite ins Heil geschickt, während die bösen Böcke zur linken Seite und somit zur ewigen Verdammnis kommen. Eine Abwertung der linken Seite wurde jedoch nicht nur in religiösen Belangen sichtbar, sondern manifestierte sich auch in weiteren historischen Perioden. Für Abbildungen von Königen oder Rittern wurden diese nur mit dem Schwert als Zeichen ihrer Macht in der rechten Hand gezeichnet (Sanders, 1998).

Olsson und Rett (1989) beschäftigten sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Abwischen nach der Defäkation in vorindustriellen Gesellschaften. Da diese Tätigkeit als unästhetisch galt und auch potentiell schädlich war, wurde die Toilettenhygiene der linken Hand überlassen, während die rechte für Vorgänge wie den Waffengebrauch und das Essen verwendet wurde (Springer & Deutsch, 1998). Im Mittelalter verkörperte die gesamte rechte Körperseite Geradlinigkeit, Ordnung, Recht und Richtigkeit. Demgegenüber stand das Ungerade, Unregelmäßige, Krumme und Schlechte das mit der linken Körperhälfte verbunden wurde (Sanders, 1998).

Trotz vieler Belege und Theorien, welche diese divergierenden Assoziationen von den Adverbien links und rechts untermauern, bleibt jedoch fraglich, ob diese Klassifikation auf einen konkreten physischen Unterschied zurückzuführen ist oder nur auf einer abstrakten und symbolischen Ebene basiert. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass diese seit Jahrhunderten auftretende Differenzierung von rechts und links anhand positiver und negativer Assoziationen auch das heutige Weltbild stark geprägt hat. Diese wird vor allem anhand der ungleichmäßigen Verwendung der beiden Körperhälften im Zuge der menschlichen Entwicklung sichtbar. Am Beispiel der Hände lässt sich demonstrieren, dass sich in der Kindheit trotz einer anfänglichen Absolvierung diverser Fertigkeiten mit beiden Händen eine Präferenz für nur eine Seite entwickelt. Aufgrund von zunehmender Komplexität der Aufgaben kommt es ab einem bestimmten Alter hauptsächlich zu einem alleinigen bzw. überwiegendem Einsatz der kräftigeren und geschickteren Hand. Obwohl beide Hände ein grundlegendes Werkzeug der menschlichen Population darstellen, wird vom Großteil der Menschheit nur eine der beiden Hände präferiert – die rechte (Sanders, 1998).

1.2 Das Lateralitätsphänomen ‚Menschlicher Körper‘

Die äußere Erscheinung des menschlichen Körpers vermittelt zumeist einen symmetrischen Aufbau. Die aufgrund unterschiedlicher Funktionen und Fertigkeiten resultierende Nutzung einer der beiden Körperhälften erfolgt jedoch keinesfalls symmetrisch. Diese Präferenz im Gebrauch paarig angelegter Körperteile basiert sowohl auf funktionellen als auch auf morphologischen Unterschieden und wird als „Lateralität“ bezeichnet (Krombholz, 1993). Der Begriff leitet sich vom lateinischen Substantiv „latus“ für Seite ab und ist auch unter den Fachtermini „Seitigkeit“, „laterale Dominanz“ oder „laterale Präferenz“ bekannt (Duden, 2004). Diese, nicht durch Krankheit bedingte Vorlieben für eine Körperseite, umfassen Phänomene wie die Händigkeit (bevorzugte Verwendung einer bestimmten Hand), die Füßigkeit (Dominanz eines Fußes) sowie die Äugigkeit und Ohrigkeit (Verwendung des präferierten Auges oder Ohres).

Laut Springer und Deutsch (1998) bezeichnet der Begriff Füßigkeit die Präferenz eines Fußes oder Beines. Diese Bevorzugung wird jedoch sehr stark durch die Rolle der Hände determiniert, da z.B. beim Werfen eines Steines nur jener Fuß einen Schritt nach vorne machen kann, der sich auf der komplementären Seite der Wurfhand befindet (Peters, 1988). Zudem besteht bei den Füßen kaum die Möglichkeit, eine Bewegung unabhängig von der Verwendung des anderen durchzuführen. Daher wird bei einer Betrachtung der Füßigkeit das Augenmerk auf jenen Fuß gelegt, der eine Manipulation eines Objektes vornimmt oder eine Aktivität anführt. Dieser wird folglich als präferierter Fuß verstanden, während der andere nur stabilisierende Funktionen ausübt (Peters, 1988). Eine einseitige Aktivität sowie der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung können jedoch einen zentralen Einfluss bei einer Untersuchung der Füßigkeit ausüben. Daher sollte diese nicht anhand von Fragebögen analysiert werden, sondern mithilfe praktischer Anwendungsbeispiele (Wang & Newell, 2013).

Bereits vor circa 25 Jahren stellte Peters (1988) fest, dass die Füßigkeit ein Lateralitätsphänomen beschreibt, welchem nur sehr wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde. Demgegenüber macht die Händigkeit oder bevorzugte Verwendung einer bestimmten Hand nicht nur für diese Arbeit den zentralen Aspekt aus. Die umfassende Literatur und zahlreiche Forschungsergebnisse zur einseitigen Nutzung einer Hand werden daher erst in einem späteren Kapitel behandelt. Außer Frage steht jedoch, dass die Händigkeit und Füßigkeit vor allem unter Sportlern zu den offensichtlichsten Asymmetrien des menschlichen Körpers zählen. Im Gegensatz dazu existiert bei den Menschen kaum ein Bewusstsein dafür, dass auch eine Präferenz bei den Augen und Ohren auftreten kann (Coren, 1992).

Das menschliche Gehirn gehört neben den Extremitäten zu jenen Körperbestandteilen die ebenfalls eine laterale Dominanz aufweisen. Beide Hemisphären weisen zahlreiche asymmetrisch angeordnete Gehirnareale unterschiedlicher Funktionen und Spezialisierungen auf. Daher beinhaltet das nächste Kapitel gesammelte Daten und Literatur zum menschlichen Gehirn und den potenziell vorkommenden Asymmetrien bezüglich anatomischer und funktioneller Charakteristika.

2 – DAS MENSCHLICHE GEHIRN

Zunächst wird auf den generellen Aufbau des Gehirns näher eingegangen und zahlreiche Einflussfaktoren auf eine strukturelle und funktionelle Ungleichverteilung aufgezeigt. Abschließend soll der Begriff der kognitiven Leistungsvariablen näher definiert werden.

2.1 Der generelle Aufbau, Struktur und cerebrale Funktionen

Das menschliche Gehirn lässt sich von innen nach außen in drei verschiedene Schichten einteilen. Der innerste Bereich, der Hirnstamm, reguliert Prozesse wie die Atmung und das Schlucken und umfasst den Sitz des limbischen Systems, welches an der Steuerung und Regulation von Emotionen und Gedächtnis maßgeblich beteiligt ist. Die darüber liegende Schicht, das Großhirn oder das Cerebrum, zeigt sich für die Kontrolle der Mehrzahl der emotionalen und kognitiven Funktionen verantwortlich. Der äußerste Abschnitt des Gehirns, der cerebrale Cortex, umgibt das Großhirn vollständig und wird in zahlreiche Segmente gegliedert. In Abhängigkeit von der Funktion unterscheidet man dabei das motorische Areal, einen Bereich zur Verarbeitung auditiver Signale (primärer auditorischer Cortex) sowie visueller Informationen (visueller Cortex). Eine weitere Aufgabenstellung des Cortexes stellt die Steuerung der Muskeln sowie die Auseinandersetzung mit der Interpretation und Integration von Daten dar. Neu aufgenommene sensorische Informationen werden in weiterer Folge in das Assoziationsareal des Frontalllappens des Cortexes umgeleitet. In diesem wird aufgrund der Fähigkeiten des Planens und Entscheidens eine angemessene Antwort zu dem korrespondierenden Signal erzeugt (Campbell & Reece, 2006; Zimbardo & Gerrig, 2004).

Die Unterteilung des vollständigen Großhirnareals erfolgt in zwei symmetrisch erscheinende Hälften, die Hemisphären, welche über einen Strang aus Nervenfasern, den Corpus callosum, miteinander verbunden sind (Zimbardo & Gerrig, 2004). Die beiden Hemisphären sind für eine überkreuzte Steuerung des Körpers zuständig. Demnach kontrolliert die rechte Hemisphäre die linke Körperseite, während die linke Gehirnhälfte die rechte Körperhälfte steuert. Diese kontralaterale Kontrolle der Körperhälften ist die Folge einer Kreuzung der Nervenbahnen im Bereich des oberen Rückenmarks (Zimbardo & Gerrig, 2004).

Die Areale des Großhirns und des Cortexes weisen jedoch unterschiedliche morphologische sowie funktionelle Charakteristika in den beiden Hemisphären auf, welche im nachfolgenden Abschnitt exemplarisch betrachtet werden.

2.2 Asymmetrien des menschlichen Gehirns

Trotz einer ähnlichen Morphologie der beiden Hemisphären unterscheiden sich diese sehr wohl in ihrer Anatomie als auch in ihren Tätigkeiten. Springer und Deutsch (1998) berichten von zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, deren Ergebnisse belegen, dass die Gehirnhälften trotz der äußerlichen Symmetrie weder in den Fähigkeiten noch in der strukturellen Organisation gleichgestellt sind. Aufgrund von Spezialisierungen der beiden Hemisphären auf konkrete Fertigkeiten, kommt es daher zur Entwicklung verschiedener Aufgabenbereiche für die linke und die rechte Gehirnhälfte. Diese divergierenden Merkmale stellen, neben geschlechtsspezifischen Einflussfaktoren, die Grundlage für variierende fachliche Kompetenzen, Verhaltensweisen oder Reaktionen einer Person dar.

Die cerebrale Steuerung diverser Körperregionen wird durch die Position entlang des Körpers bestimmt. So kommt es zu einer verbesserten und verstärkten Beeinflussung der oberen Körperhälfte, da diese in den Gehirnabschnitten, im Gegensatz zu den unteren Bereichen des Körpers, meist sehr detailliert im Gehirn repräsentiert wird. Dieser bedeutende Unterschied zwischen der oberen und unteren Körperhälfte hat sich hauptsächlich beim Menschen etabliert. Daher existieren für die Steuerung der Finger und Arme oder der Muskeln zur Kontrolle der Stimmbildung im motorischen und somatomotorischen Areal des Cortexes viel detailliertere Instruktionen als für die unteren Regionen des Körpers (Zimbardo & Gerrig, 2004). Demgegenüber sind die Differenzen der entsprechenden Areale vieler anderer Säugetierklassen kaum oder nur sehr schwach ausgeprägt. Wehr und Weinmann (1999) führen in diesem Kontext an, dass eine stärkere cerebrale Privilegierung des Handareals ein Resultat der Entwicklung des Menschen aus den Primaten ist.

In diesem Zusammenhang wird auch häufig der Begriff des Homunculus (lat. „Menschlein“) genannt, welcher in Abbildung 1 dargestellt wird. Dieser beschreibt eine künstlich geschaffene Figur, dessen Körperproportionen durch die Repräsentation der Körperteile in den diversen Arealen des Gehirns bestimmt werden.

Abbildung 1. Homunculus des motorischen und somatosensorischen Cortexes (Campell & Reece, 2006).

Jene Körperabschnitte, die im Gehirn stark repräsentiert werden wie z.B. die Hände und Finger oder sonstige sensible und feinmotorische Bereiche, sind auch in der Figur des Homunculus des motorischen oder somatosensorischen Cortex entsprechend groß dargestellt (Abbildung 1). Das Vorhandensein von schwächer ausgeprägten Körperbereichen z.B. der unteren Gliedmaßen des Homunculus, deutet auf eine geringere cerebrale Repräsentanz in den beiden Cortexes hin (Abbildung 1; Campell & Reece, 2006).

2.2.1 Anatomische Asymmetrien

Wissenschaftliche Untersuchungen von anatomischen Unterschieden der beiden Hemisphären stehen bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Vordergrund. Zu den ersten bedeutenden Ergebnissen zählen jene von Geschwind und Levitsky (1968), die aufzeigen konnten, dass die Ausdehnung des Planum temporales, einem Teil des Temporallappens, in unterschiedlichem Ausmaß auftreten kann. Laut ihren Daten ist der vermessene Bereich im Durchschnitt auf der linken Seite des Gehirns um ein Drittel größer als in der rechten Hemisphäre. Replikative Studien konnten erneut belegen, dass bei 70% der Probanden eine asymmetrische Lage und Fläche des Planum temporales zugunsten der linken Gehirnhälfte auftritt (Springer & Deutsch, 1998).

Die stetig fortlaufende Auseinandersetzung mit der Thematik der anatomischen Asymmetrien brachte auch in jüngster Zeit neue Ergebnisse in diesem Bereich. So kann Jäncke (2006) nachweisen, dass der Heschl´sche Gyrus, auf welchem das primäre auditorische Sprachzentrum liegt, rechtsseitig häufiger aus zwei Gyri besteht, während er auf der linken Seite nur einen Gyrus umfasst.

Einen zentralen Einfluss auf vorliegende anatomische Gegebenheiten des Gehirns übt das Geschlecht aus. Bereits ein Vergleich der gesamten Gehirnmasse lässt erkennen, dass das weibliche Gehirn kleiner und leichter ist als das der Männer. Zudem ist die Dichte und Anzahl der Neuronen im Cortex von Frauen geringer als bei männlichen Gehirnen (Aloisi, 2007). Männer und Frauen weisen ebenso Differenzen in der Größe und der Verteilung bestimmter Gehirnareale auf. Gorsky (2002) zeigt in seinen Untersuchungen, dass bei Männern das präoptische Areal des Hypothalamus doppelt so groß ist wie jenes der Frauen. Bei Frauen lassen sich vergrößerte Wernicke- und Broca-Areale, welche wichtige cerebrale Bereiche zur Sprachregulierung darstellen, im Vergleich zu Männern feststellen. Im Corpus callosum sind einige Teilstücke bei weiblichen Personen stärker ausgeprägt, wodurch auf eine verbesserte interhemisphärische Kommunikation geschlossen wird (Holloway et al., 1993).

All die exemplarisch angeführten anatomischen Asymmetrien stellen zumeist die Basis unterschiedlicher Funktionen dar und können daher ebenso in funktionellen Asymmetrien des Gehirns resultieren, welche im nächsten Kapitel näher betrachtet werden.

2.2.2 Funktionelle Asymmetrien

1836 präsentierte Marc Dax auf einer Tagung der medizinischen Gesellschaft seine durch Beobachtung erlangten Erkenntnisse, wonach jede Hälfte des Gehirns unterschiedliche Funktionen steuert (Springer & Deutsch, 1998). Mit diesem ersten zentralen Ereignis bei der Erforschung der funktionellen Asymmetrien wurde der Grundstein für zahlreiche weitere Analysen und Experimente gelegt. Paul Broca beschäftigte sich mit Patienten, die unter Sprachverlust litten und konnte den für diese Störung verantwortlichen Bereich des Gehirns auf den Frontallappen der linken Hemisphäre eingrenzen. Seit diesem Zeitpunkt wird jene Region auch als ‚Brocasches Areal‘ oder ‚Brocasche Sprachregion‘ bezeichnet und die Fähigkeit der sprachlichen Artikulation eindeutig auf die linke Hemisphäre übertragen (Springer & Deutsch, 1998). Darüber hinaus werden auch Prozesse wie die Sprachproduktion und das Sprachverständnis von der linken Gehirnhälfte reguliert.

Bedeutsame Grundlagen in der Untersuchung von funktionellen Asymmetrien stellen die Untersuchungen an Split-Brain-Patienten dar. Der Begriff „Split-Brain“ beschreibt eine Durchtrennung des Corpus callosum, welcher normalerweise die beiden Hemisphären verbindet. Split-Brain Patienten erlauben Rückschlüsse auf die spezifischen Aufgabengebiete der beiden einzelnen Gehirnhälften (Springer & Deutsch, 1998). Bei einer selektiven Stimulation der linken Hemisphäre der Patienten kommt es zu einer verbalen Benennung der präsentierten Stimuli, wohingegen eine Zuführung der Stimuli zur rechten Hemisphäre keine sprachliche Bearbeitung ermöglichte (Jäncke, 2006).

Seit dem Beginn der Lokalisation bestimmter Eigenschaften und Fähigkeiten auf eine der beiden Gehirnhälften werden zumeist hemisphären-spezifische Merkmale der rechten oder der linken Gehirnhälfte zugeordnet, welche auch heute noch Gültigkeit besitzen. Demnach weisen Personen mit linkshemisphärischen Schädigungen hauptsächlich sprachliche Beeinträchtigungen auf, während Verletzungen der rechten Gehirnhälfte Defizite in der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit hervorrufen. Die rechte Hemisphäre zeigt sich für räumliche Aufgaben bzw. Vorstellungskraft, Kreativität und musikalische Leistungen verantwortlich. Der linken Gehirnhälfte wird meist logisches und analytisches Denken sowie Sprachproduktion und -verständnis zugeschrieben (Springer & Deutsch, 1998). Es sei jedoch angemerkt, dass trotz individueller Spezialisierungen zwischen den beiden Hemisphären ein ständiger Kontakt bei der Durchführung bestimmter Aktivitäten besteht. Tabelle 1 fasst einige der bekannten Aufgabengebiete und Leistungen der jeweiligen Gehirnhälften prägnant und selektiv zusammen.

Tabelle 1. Fähigkeiten der beiden Gehirnhemisphären (adaptiert nach Pruckner, 2007)

Eine interessante Feststellung bei der Aufteilung der Kompetenzen auf die beiden Hemisphären kann bezüglich der Geschlechter getroffen werden. Während Frauen bei sprachlichen Fertigkeiten wie Sprachflüssigkeit, Schnelligkeit der Artikulation und Grammatik sowie bei rechnerischen Prozessen den Männern meist überlegen sind, zeigen Männer bessere Leistungen bei allen räumlichen und mechanischen Geschicklichkeitsaufgaben (Springer & Deutsch, 1998). Funktionelle Divergenzen können ebenso als Resultat variierender anatomischer Charakteristika vorliegen. Ein vergrößerter Bereich des Broca-Areals für die Sprachbildung bei Frauen führt folglich auch zu geschlechtsspezifischen Differenzen in funktionellen Belangen, da diese vergrößerte Fläche den Frauen bessere verbale Fähigkeiten ermöglicht (Jäncke, 2006). Zahlreiche Untersuchungen von Landsdell (1962) belegen, dass die für visuell-räumliches Vorstellungsvermögen und sprachliche Fertigkeiten verantwortlichen Gehirnareale bei Männern in entgegengesetzten Hemisphären lokalisiert sind. Demgegenüber scheinen bei Frauen die sprachlichen und räumlichen Regionen stärker bilateral verteilt zu sein. Springer und Deutsch (1998) folgern daraus, dass Frauen generell in allen Bereichen des Gehirns schwächer cerebral lateralisiert sein könnten. Als Einflussfaktoren für diese Geschlechtsunterschiede werden hormonelle Veränderungen während der Pubertät sowie divergierende Hormonlevel im Erwachsenenalter genannt. Levy (1969) versteht diese Diskrepanzen auf einer evolutionären Ebene, da Männer als Jäger mit guten visuell-räumlichen Fertigkeiten ausgestattet werden, während bei Frauen für die Kindererziehung die Entwicklung einer Sprache im Mittelpunkt steht.

Eine Konsequenz der Zuordnung spezifischer Eigenschaften zur jeweiligen Gehirnhälfte, stellt das im nächsten Abschnitt behandelte ‚Konzept der Hemisphärendominanz‘ dar.

2.2.3 Konzept der Hem/sphärendom/nanz

Bereits 1868 entwickelte John H. Jackson ein Konzept, welches sich zu dem heute dominierenden Modell in der Betrachtung der Beziehung zwischen den beiden Hemisphären entwickelte. Er postuliert die Existenz einer führenden Seite im Gehirn, welche bei den meisten Personen die linke darstellt. Diese wird in weiterer Folge von ihm als die ‚Seite des Willens‘ bezeichnet, während die untergeordnete, rechte Gehirnhälfte als die ‚Seite des Automatischen‘ Bekanntheit erlangt (Springer & Deutsch, 1998). Seine Theorien entsprechen ebenso dem damals allgemein vertretenen Bild, wonach die linke Hemisphäre bezüglich der Sprache und weiterer höherer Funktionen die bestimmende und dirigierende Hälfte sei. Demgegenüber besitzt die rechte, unbedeutendere Hemisphäre keine speziellen Funktionen und ist der linken hierarchisch unterlegen. Die Phrase ‚cerebrale Dominanz‘ subsummiert auch heute noch Theorien, welche nur einer der beiden Hemisphären bei der Ausübung einer bestimmten Funktion eine dominante Rolle zuschreiben (Springer & Deutsch, 1998).

Eine drastische Folge dieser Denkweise stellte jedoch die zunehmend unterlegene Bedeutung der rechten Hemisphäre dar. Da eine Beeinträchtigung der rechten Hemisphäre selten gravierende Funktionsausfälle bewirkt, wird diese als weniger relevant für das menschliche Verhalten angesehen. Zudem erschweren Veränderungen oder Störungen in der rechten Hemisphäre meist eine Analyse, da die offensichtlichen Änderungen lediglich subtil sind. Die Erkennung der Notwendigkeit einer rechten Hälfte des Gehirns in unterschiedlichsten Bereichen setzte daher erst um einige Jahre später ein. Viele nachfolgende wissenschaftliche Forschungsergebnisse können jedoch bewirken, dass die Fähigkeiten der rechten Gehirnhälfte neu überdacht werden (Springer & Deutsch, 1998).

Schädigungen der rechten Seite des Gehirns haben eine reduzierte Fähigkeit bei nicht­verbalen Tests wie der Manipulation geometrischer Figuren, dem Ergänzen fehlender Teile oder dem Zusammenlegen von Puzzles zur Folge. Im Einklang mit den Problemen bei der Erkennung von Formen und räumlichen Zusammenhängen zeigen sich auch gravierende Defizite im Bereich der Orientierungsfähigkeit und der Aufmerksamkeit bei diesen Patienten. In zahlreichen Untersuchungen führen Störungen der rechten Hemisphäre auch zu Beeinträchtigungen im Erkennen von vertrauten visuellen Informationen oder vertrauten Gesichtern. Darüber hinaus weisen immer mehr Resultate auf die Bedeutung der rechten Hemisphäre bezüglich musikalischer Fähigkeiten hin (Springer & Deutsch, 1998).

Die vorangegangenen Kapitel haben anhand einiger ausgewählter Beispiele das Vorhandensein und die Folgen der auftretenden Unterschiede in Anatomie und Funktion der einzelnen Gehirnareale zusammengefasst. Der nächste Abschnitt soll die zugrundeliegenden Einflussfaktoren und Ursachen für diese funktionellen und anatomischen Asymmetrien des Gehirns näher bringen.

2.2.4 Einflussfaktoren auf Gehirnasymmetrien

Seit der Entdeckung der Asymmetrien des Gehirns werden Erklärungen für ihr Auftreten gesucht und Theorien für ein besseres Verständnis aufgestellt. Ein Modell von Springer und Deutsch (1998) beschreibt die vorliegenden Gehirnasymmetrien als Folge einer Auseinanderentwicklung der Funktionen der beiden Hälften im Zuge der Evolution. Dabei gehen sie davon aus, dass sich der Schwerpunkt der linken Hemisphäre auf die Erzeugung von schnell wechselnden Bewegungsmustern wie der Feinmotorik der Hände oder den Stimmapparat verlagerte. Aufgrund einer sequentiellen Verarbeitung der Informationen in dieser Gehirnhälfte, wird analytisches Denken ermöglicht. Demgegenüber spezialisiert sich die rechte Hemisphäre auf die Wahrnehmung räumlicher Muster und Beziehungen, welche auf einer parallel stattfindenden Verarbeitung der Daten beruht (Springer und Deutsch, 1998).

Als Startzeitpunkt für die Ausbildung asymmetrischer Gehirnareale deuten die Ergebnisse vieler experimenteller Studien auf das Säuglingsalter hin. Bereits kurz nach der Geburt lässt sich ein Unterschied in der Größe des Cortexes bei den beiden Geschlechtern feststellen. Aufgrund dieser Analysen wird ein Einfluss auf der genetischen Ebene nicht mehr vollständig ausgeschlossen. Jäncke (2006) verfolgt einen genetischen Ansatz, der als Grundlage für eine Prädisposition einer Asymmetrie der Hemisphären ein oder zwei Gene annimmt. Jedoch konnten für diese Theorie bis heute noch keine empirischen Belege gefunden werden. Des Weiteren wird die Annahme vertreten, dass auch pränatale Hormone einen essentiellen Effekt auf die Ungleichverteilungen im Gehirn ausüben (Giedd et al., 1996). Dies wird zudem durch die Ergebnisse von Goldstein et al. (2001) demonstriert, welche nachweisen konnten, dass in jenen Gehirnregionen mit anatomischen Geschlechtsunterschieden eine erhöhte Dichte an Androgenrezeptoren aufzufinden ist.

Durch das Vorkommen von zahlreichen Gehirnasymmetrien in der menschlichen Population, wird das Verhalten und die Reaktionsweise einer Person auf vielfältigste Weise geprägt und beeinflusst. Diese cerebralen Bereiche übernehmen die Steuerung derLeistungen in Denkprozessen sowie das Lernvermögen. Daher stellen diese auch die Grundlage aller kognitiven Aspekte eines Menschen dar, welche die Thematik des nachfolgenden Kapitels sind.

2.3 Kognitive Prozesse im Gehirn des Menschen

Die Entwicklung bestimmter Eigenschaften und Fertigkeiten im Zuge des Lebens eines Menschen erlaubt diesem das Zurechtfinden in einer sich verändernden Umwelt. Dieser Prozess determiniert die Art der Reaktion auf einen bestimmten Auslöser sowie das daraus resultierende und gezeigte Verhalten einer Person. Kognitionen umfassen die Gesamtheit solcher Fähigkeiten und Prozesse, die sich mit Erkenntnissen und Wissen auseinandersetzen und inkludieren somit auch den Erwerb, die Speicherung oder die Wiederverwendung der Informationen (Fröhlich, 2008). Als kognitive Prozesse können daher alle Vorgänge im Gehirn verstanden werden, die dem Erkennen dienen wie z.B. dem Wahrnehmen, dem Denken, dem Einprägen oder dem Wiedererkennen (Fröhlich, 2008). Der Begriff Kognition leitet sich vom lateinischen „cognitio“, der Erkenntnis ab und beschreibt Prozesse, welche durch das menschliche Gehirn gesteuert werden. Als Resultat auf diverse Input-Signale wie Reize oder Stimuli wird daher durch kognitive Abläufe ein entsprechender Output generiert, welcher sich durch eine bestimmte Reaktion oder ein Verhalten kennzeichnet (Edelmann, 1996).

Kognitive Kompetenzen beeinflussen auf vielfältigste Weise die Intelligenz einer Person, da diese das hierarchisch organisierte Netz zur Grundlage der Intelligenz bilden (Dresler, 2011). Zum Aufbau dieser Struktur werden sprachliche Fertigkeiten wie der Wortschatz oder die verbale Produktion eines Menschen sowie kognitive Fähigkeiten zur numerischen und räumlichen Verarbeitung, der Gedächtnisleistung und dem schlussfolgernden Denken eingesetzt (Dresler, 2011). Intelligenz als Überbegriff subsummiert somit die kognitiven und verbalen Eigenschaften einer Person und determiniert auf diese Weise die Leistungsfähigkeit in diesen Gebieten. Das erfolgreiche Abrufen der entsprechenden kognitiven Fertigkeiten resultiert in der Generierung eines adäquaten Outputs, wie dem Bewältigen einer Aufgabenstellung. Jene zugrundeliegenden kognitiven Fähigkeiten, welche die Leistung einer Person definieren, werden im Zuge dieser Arbeit als kognitive Leistungsvariablen verstanden.

Laut der Fachliteratur variiert die Anzahl der vorhandenen Leistungsvariablen beträchtlich, wodurch eine Kategorisierung und Beschreibung in diesen Belangen erschwert wird. Dieser Arbeit liegt die Einteilung und Charakterisierung der kognitiven Leistungsvariablen nach Luis L. Thurstone (1938) zugrunde, welche nachstehend kurz erläutert wird.

2.3.1 Die sieben Primärfaktoren nach Thurstone

Die sieben Primärfaktoren („Primary Mental Abilities“) umfassen jene gleichberechtigten und voneinander unabhängigen Variablen, welche einen Einfluss auf die Intelligenz eines Menschen ausüben (Thurstone, 1938; Thurstone & Thurstone, 1941). Zu diesen Faktoren zählt das Sprachverständnis („Verbal Comprehension“), welches das passive Vokabular oder den Wortschatz einer Person näher beschreibt. Das räumliche Denken („Spacial Orientation“) erfasst jene Fähigkeit, abstrakte Figuren im zwei- oder dreidimensionalen Raum sowohl visuell als auch mental zu rotieren. Induktives Denken („Inductive Reasoning“), determiniert die Eigenschaft, eine Regel oder ein Prinzip hinter einzelnen vorliegenden Phänomenen zu erkennen und ermöglicht das Problemlösen. Der Faktor Zahlen („Number“) definiert rechnerische Kompetenzen, während die Wortflüssigkeit („Word Fluency“) das aktive Vokabular einer Person wiedergibt. Die Merkfähigkeit oder Gedächtnisleistung („Associative Memory“) und die Wahrnehmungsgeschwindigkeit („Perceptual Speed“) einer Person, stellen die letzten beiden der insgesamt sieben Faktoren nach Thurstone dar (Thurstone, 1938; Thurstone & Thurstone, 1941; Fröhlich, 2008).

Im Zuge dieser Studie wird der Fokus auf drei der von Thurstone etablierten leistungsbestimmenden kognitiven Fähigkeiten gelegt. Die relevanten kognitiven Leistungsvariablen der Gedächtnisleistung, Wortflüssigkeit sowie induktives Denken werden daher im folgenden Abschnitt kurz näher charakterisiert.

Gedächtnisleistung

Laut Sternberg (1996) stellt das Gedächtnis ein Hilfsmittel dar, mit dem auf vergangene Erfahrungen zurückgegriffen wird, um diese in der Gegenwart einzusetzen. Zu einer ersten groben Differenzierung des menschlichen Gedächtnisses wird eine Einteilung in implizit und explizit vorgenommen (Sternberg, 1997; Zimbardo & Gerrig, 2004). Jene Informationen zu Bewegungen und Handlungen einer Person werden im impliziten Gedächtnis, dem Handlungsgedächtnis, gespeichert. Aufgrund der Abspeicherung von motorischen Abfolgen können diese erneut ausgeführt werden, ohne sich bewusst auf die Durchführung zu konzentrieren, wie beim Gehen oder Fahrrad fahren. In dieser Weise wirkt sich diese Gedächtnisform meist unbewusst auf das Erleben und Verhalten eines Menschen aus. Im Gegensatz dazu speichert das explizite Gedächtnis Informationen, welche in Form von Sprache oder Bildern vorliegen. Dazu werden einerseits das episodische Gedächtnis mit autobiografischen Inhalten und andererseits das zeitlose semantische Gedächtnis, das Weltwissen und Fakten umfasst, gezählt (Sternberg, 1996).

Anhand zweier gängiger Testverfahren kann eine weitere Differenzierung des menschlichen Gedächtnisses in das Recall- und Recognition-Gedächtnis erfolgen (Sternberg, 1996). Der Recall-Test ermittelt jene Gedächtnisleistung, bei der alle behaltenen Inhalte einer zuvor gezeigten Lernreihe frei und spontan reproduziert werden können. Dieser Prozess kann in einer korrekten Reihenfolge (seriell) oder ohne bestimmte Randordnung (frei) ablaufen. Zur Untersuchung des Recognition-Gedächtnisses muss aus einer Reihe bestimmter Items jenes identifiziert werden, welches in einer vorangegangenen Lernreihe enthalten war. Dabei wird die Wiedererkennungsleistung gemessen (Sternberg, 1996).

Eine weitere, allgemein-bekannte Einteilungsmethode basiert auf der Dauer der Speicherung von Informationen im Gedächtnis. In diesem Zusammenhang werden die drei Gedächtnistypen des Ultrakurzzeit- (sensorisches Gedächtnis), des Kurzzeit-(Arbeitsgedächtnis) und des Langzeitgedächtnisses unterschieden (Sternberg, 1996). Während das sensorische Gedächtnis Informationen für einige Millisekunden bis Sekunden festhält, so kann das Kurzzeitgedächtnis unter idealen Bedingungen Daten für circa 20 Sekunden speichern. Letzteres besitzt eine Kapazität von fünf bis neun möglichen Einträgen und erlaubt Suchprozesse, die seriell und erschöpfend ablaufen (Gruber, 2011). Das Langzeitgedächtnis ermöglicht das dauerhafte Behalten der Gedächtnisinhalte, zunächst nur für einige Minuten und in weiterer Folge auch jahre- bzw. lebenslang (Gruber, 2011).

Zahlreiche Faktoren beeinflussen die Gedächtnisleistung einer Person. Zu diesen zählen unter anderem die Darbietungsrate des Gelernten und die Lernabsicht sowie die Motivation. Ebenso spielt das Alter der Person eine zentrale Rolle, da durch den Anstieg des Alters eine gleichzeitige Reduktion der Leistung des Arbeits- und Langzeitgedächtnisses erkennbar ist (Howieson et al., 1993). Studien von Janowsky et al. (2000) belegen diese Annahmen durch das Vorhandensein einer erhöhten Fehlerquote bei älteren Personen aufgrund eines schwächeren Arbeitsgedächtnisses. Bezüglich des Einflusses des Geschlechts eines Probanden auf die erbrachte kognitive Leistung gibt es in der Literatur widersprüchliche Ergebnisse. In einer Untersuchung von Janowsky et al. (2000) liegt keine geschlechtsspezifische Differenz in der Gedächtnisleistung vor, weder bei älteren Personen noch bei einer jungen Vergleichsgruppe. Dennoch scheint ein Einfluss von Sexualhormonen auf die Leistung des Gedächtnisses zu existieren. Eine Studie von Kampen und Sherwin (1994) zeigt, dass Frauen mit einer Östrogenersatztherapie im Zuge der Menopause verbesserte Leistungen des verbalen Gedächtnisses und des Recall-Gedächtnisses aufwiesen. Im Vergleich liefert eine Analyse von Janowsky et al. (2000) Resultate, welche belegen, dass eine Behandlung mit Sexualhormon-Präparaten bei älteren Personen nur zu einer Verbesserung der Leistung des Arbeitsgedächtnisses bei Männern führt, nicht jedoch bei Frauen. Die Verabreichung von Testosteron bei Männern kann eine bessere Leistung bewirken, die Zugabe von Östrogen verschlechtert allerdings die Leistung des Arbeitsgedächtnisses (Janowsky et al., 2000).

Wortflüssigkeit

Unter der Sprache eines Menschen wird die Fähigkeit verstanden, Wörter oder Zeichen anzuwenden und sie zu Sätzen zu verbinden, um anderen Personen wichtige Konzepte oder Begriffe näher zu bringen (Pritzel et al., 2003). Zudem erlaubt die Sprache die Abstraktion von Bildern und bereichert das Wahrnehmungsspektrum eines Menschen. Die sprachlichen Fertigkeiten werden hauptsächlich durch die linke Hemisphäre des Gehirns determiniert, da die beiden Hirnzentren, die für die menschliche Sprache verantwortlich sind, linkshemisphärisch lokalisiert sind. Die beiden Bereiche werden nach ihren Entdeckern als das Wernicke- und das Broca-Areal der Sprachregulation bezeichnet. Durch beide Zentren erfolgt zunächst die Analyse der Wortbedeutungen und Sprachmelodien. Ein Abgleich aller wahrgenommenen Wörter mit den Inhalten des Sprachgedächtnisses erlaubt die Erfassung eines Sinnes oder einer Bedeutung der aufgenommenen Begriffe (Pritzel et al., 2003).

Für das Verstehen der Sprache bzw. die Worterkennung zeigt sich das Wernicke-Areal verantwortlich. Eine Verletzung in dieser Region führt meist zu verworrenem, unverständlichem Reden und macht es den Patienten unmöglich, Sprache zu entschlüsseln (Pritzel et al., 2003). Im Gegensatz dazu beeinflusst das Broca-Areal die Produktion der Sprache, das Finden von Wörtern und das Bilden von Sätzen (Pritzel et al., 2003).

Unter Wortflüssigkeit wird laut Schneider und Fink (2006) die Generierung von Wörtern nach festgelegten Kriterien innerhalb einer bestimmten Zeit verstanden. Warkentin et al. (1991) zeigen, dass der cerebrale Blutfluss bei Teilnehmern eines Wortflüssigkeitstests im linken dorsolateralen Cortex erhöht ist. Durch diese Ergebnisse konnten sie bestätigen, dass die verbale Flüssigkeit mit der linken Gehirnhälfte assoziiert ist, wie auch bereits aus früheren Läsionsstudien bekannt war (Ruff et al., 1997).

Eine Messung der Leistungsvariable Wortflüssigkeit beinhaltet zumeist eine Aufgabenstellung, bei der Probanden gebeten werden, Wörter einer bestimmten Kategorie zu nennen (Kleissendorf et al., 2008). Dabei kann unterschieden werden, ob die phonemische oder semantische Wortflüssigkeit im Mittelpunkt der Analyse steht. Erstere wird z.B. dadurch erfasst, dass Testpersonen Wörter nennen müssen, die mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben beginnen. Demgegenüber erfragt die Untersuchung zur semantischen Wortflüssigkeit Begriffe, die in eine bestimmte Kategorie zusammengefasst werden können z.B. zur Gruppe der Tiere gehören (Troyer & Moscovitch, 2006). Relevant sind in beiden Testverfahren sowohl die Quantität d.h. die Anzahl der genannten korrekten Wörter als auch die Qualität d.h. die Anzahl der Fehler und die Diversität der Begriffe (Kleissendorf et al., 2008).

Eine wichtige Grundlage für die Kompetenzen im verbalen Bereich stellt das vorhandene Wortwissen, das lexikalische System des Testteilnehmers dar, aus dem die Begriffe ausgewählt werden können (Ruff et al., 1997). Daher kann das Ausbildungsniveau des Untersuchten als ein wichtiger Indikator für die Resultate bei einem Wortflüssigkeitstest gelten, da dieses den vorhandenen Wortschatz bestimmt. Benton et al. (1994) haben durch den Einsatz des Controlled Oral Word Association-Tests (COWA Test) den Einfluss der Ausbildung auf diese verbale Leistungsvariable nachweisen können.

Hirnstein und Hausmann (2010) behaupten, dass Frauen bei Wortflüssigkeitsaufgaben besser abschneiden als Männer, und auch Lezak (1995) konnte dies in ihren Studien zeigen. Die Ergebnisse von Halpern (2000) belegen, dass Frauen sowohl in den Bereichen Wortflüssigkeit als auch bei der Sprachproduktion bessere Leistungen erbringen als Männer. Laut Lamplmayr und Kryspin-Exner (2011) stellt die Wortflüssigkeit jene Funktion verbaler Fähigkeiten dar, bei welcher am häufigsten Geschlechtsunterschiede beobachtet werden können.

Induktives Denken

Eine zentrale Fertigkeit im Bereich der Logik stellt das logische Schlussfolgern einer Person dar. Darunter werden Prozesse subsummiert, die es ermöglichen, Schlüsse aus Prinzipen und von Beweisen zu ziehen (Wason & Johnson-Laird, 1972). Um zu diesen zu gelangen oder eine vorgeschlagene Schlussfolgerung abzuwägen, wird bereits vorhandenes Wissen eingesetzt.

Drei verschiedene Denkansätze (induktiv, deduktiv und abduktiv) können herangezogen werden um zu einem logischen Schluss zu gelangen können (Sternberg, 1996). Die Abduktion, d.h. das Rückschließen von einer Regel und deren Konsequenzen auf eine bestimmte Ursache, spielt im Zusammenhang mit dieser Arbeit eine unbedeutende Rolle. Der Fokus dieser Untersuchung liegt vor allem auf den beiden gegensätzlichen Strategien des induktiven und deduktiven Schlussfolgerns.

Der Begriff Deduktion kann auf das lateinische „deductio“, Ableitung oder Herleitung zurückgeführt werden. Ein deduktiver Denkprozess ermöglicht es, durch das Erkennen einer gegebenen Bedingung und einer logischen Regel eine Schlussfolgerung auf die Wirkung oder Konsequenz zu treffen (Sternberg, 1996). Diese Ableitung einer Folgerung basiert auf einer oder mehreren generellen Aussagen, welche sowohl wahr als auch falsch sein können. Ein Denkansatz dieser Art ermöglicht daher nur das Entdecken einer Regel und bringt dementsprechend keine neue, jedoch eine gesicherte Erkenntnis hervor. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich das induktive Folgern, abgeleitet vom lateinischen „inductio“ für Herbeiführung oder Veranlassung, mit dem Tätigen bestimmter logischer Aussagen, um Fakten oder Beobachtungen zu erklären (Sternberg, 1996). Man bezeichnet diese Denkweise auch als das verallgemeinernde Denken, da der Versuch unternommen wird, eine allgemeine Regel aus vorliegenden Fakten abzuleiten. Bei einem Vergleich der beiden Ansätze zum logischen Schließen kann daher das deduktive Denken als Schlussfolgern bezeichnet werden, das induktive Folgern hingegen als Urteilen oder Entscheiden (Sternberg, 1996).

Für beide der genannten kognitiven Denkprozesse stellt das Geschlecht einen bedeutsamen Einflussfaktor dar. Laut Rubner (1996) sind Männer den Frauen beim Lösen von mathematischen Schlussfolgerungen oder Textaufgaben überlegen. Es konnte zusätzlich belegt werden, dass Testosteron das mathematische Denken von Männern negativ beeinflusst und daher das mathematische Schlussfolgern erfolgreicher bei einem niedrigen Testosteronspiegel verläuft (Kimura, 1992).

Infolge dieser kurzen Beschreibung dreier zentraler Leistungsvariablen soll der nächste Abschnitt einen kurzen Überblick über die Verfahren zur Erhebung dieser kognitiven Leistungen geben.

2.3.2 Erhebung kognitiver Leistung

Um die Leistungsmerkmale einer Person im kognitiven Bereich zu erfassen, stehen zahlreiche Leistungstests zu Verfügung. Die darin vorgegebenen Problemstellungen sollen durch die Probanden gelöst werden und so eine Möglichkeit zur quantitativen Bewertung der einzelnen Leistungen liefern. Die Grundlage für die in dieser Studie näher betrachteten drei kognitiven Leistungsvariablen stellen verschiedene Subtests aus multifaktoriellen Intelligenztests dar. So wurden Testverfahren aus dem Berliner Amnesie Test (BAT; Metzler et al., 2010) oder dem Wechsler Intelligenz Test für Erwachsene (WIE; Von Aster et al., 2006) entnommen.

Zur Testung der Sprachflüssigkeit wird im Zuge dieser Untersuchung eine Aufgabenstellung eingesetzt, welche dem COWA Test entspricht (Loonstra et al., 2001) und die phonemische Wortflüssigkeit der Probanden analysiert. Um die Gedächtnisleistung zu erheben, wird jeweils ein Verfahren aus dem WIE sowie aus dem BAT ausgewählt, welche die Fähigkeiten des Kurzzeitgedächtnisses und des Recall-Gedächtnisses einer Person erfassen. Das induktive Denken wird anhand zweier Aufgabenstellungen aus dem WIE überprüft, es kommen dabei ein verbaler Sprachanalogie-Test sowie ein non-verbales Verfahren zum Einsatz. Eine nähere Beschreibung der angewandten Methoden erfolgt im Kapitel Methoden und Durchführung.

Das nachfolgende Kapitel beschreibt die Asymmetrien an den Händen, welche das auffälligste aller Lateralitätsphänomene des menschlichen Körpers darstellen.

3 – DIE HÄNDE

Die scheinbare äußerliche Symmetrie der oberen Extremitäten des menschlichen Körpers lässt keine Rückschlüsse auf die tatsächlich vorliegende Ungleichverteilung bezüglich der Funktionen der beiden Arme zu. Deren Fähigkeiten und insbesondere jene der Hände divergieren in hohem Ausmaß, wodurch eine ungleichmäßige Nutzung hervorgerufen wird. Diese Bevorzugung einer Hand gegenüber der anderen wird als „Händigkeit“ bezeichnet (Springer & Deutsch, 1998). Sie stellt das Lateralitätsphänomen des menschlichen Körpers dar, welches die stärkste Ausprägung aufweist und bereits seit Millionen von Jahren im Zuge der Entwicklung der Menschheit detektierbar ist, wie dieses Kapitel beschreibt.

3.1 Händigkeit: Historische Ereignisse und Fakten

Eine bedeutsame Quelle für die Erforschung der Händigkeit an den Vorfahren der heutigen Menschheit stellt die Analyse von künstlerischen Aktivitäten wie der Malerei oder jener von Steinmanufakturen dar. Bei der Untersuchung von Malereien, welche die Umrisse von Händen einer Population der Cro-Magnon Menschen darstellen, wurde festgestellt, dass ein großer Anteil (80%) dieser Zeichnungen eine linke Hand darstellt. Diese Funde lassen darauf schließen, dass die abgebildete Hand als Schablone diente, während die jeweils andere für das Zeichnen zuständig war (Springer & Deutsch, 1998). Um Aufschlüsse über die Händigkeit unserer Ahnen zu erhalten werden ebenso die produzierten Steinwerkzeuge und Waffen detailliert betrachtet. In diesem Zusammenhang erkannten Shipman und Rose (1983) bereits vor 30 Jahren, dass die Kerben an den Steinen bedeutsame Hinweise zur überwiegend eingesetzten Hand des Manufakturisten liefern können. Viele der betrachteten Artefakte lassen in diesem Zusammenhang auf eine Bevorzugung der rechten Hand bei der Werkzeugbenutzung schließen. Die Existenz der Rechtshändigkeit in frühen Hominiden kann zudem auch durch die Ergebnisse von Corballis (1997) und Lazenby et al. (2008) bestätigt werden.

Diese Belege einer rechtshändig-orientieren Nutzung der oberen Extremitäten unserer Vorfahren werden in weiterer Folge für eine Datierung des Entstehungszeitpunktes der Handpräferenz herangezogen. Lonsdorf und Hopkins (2005) setzen den Beginn der hauptsächlichen Nutzung der rechten Hand auf einen Zeitraum vor fünf Millionen Jahren an, da ungefähr zu diesem Zeitpunkt eine Trennung der evolutionären Entwicklung der Schimpansen und Menschen stattfand.

Da die Gestalt der Hände der Großen Affen eine Ähnlichkeit zu jenen der Menschen aufweist (Byrne et al., 2001), liegt es nahe dass diese ebenfalls eine Hand bevorzugt nutzen. Das Vorliegen einer Tendenz bei der Handpräferenz in den nicht-humanen Primaten haben bereits viele Studien belegt (Marchant & McGrew, 2007; Chapelain & Hogervorst, 2008; Harrison & Nystrom, 2008). Während die Daten wildlebender Schimpansenpopulationen auf keine eindeutige Händigkeit hinweisen (McGrew & Marchant, 1997), lässt sich bei Schimpansen in Gefangenschaft eine Rechtshändigkeit bei bestimmten manuellen Tätigkeiten feststellen, jedoch auf einem geringeren Ausprägungslevel als beim Menschen (Hopkins et al., 2004; Hopkins & Cantalupo, 2003).

Basierend auf den vorliegenden Untersuchungsergebnissen wurden unterschiedliche Theorien zur Entstehung der präferierten Verwendung der Hände in nicht-humanen Primaten aufgestellt. Savage-Rumbaugh et al. (1986) vermuten im Vorliegen einer Lautproduktion zur verbalen Kommunikation den Indikator für das Auftreten einer Händigkeit unter den Affen. Diese Theorie wurde vor fast zehn Jahren von Corballis (2003) für nichtig erklärt, da dieser die Korrelation der Sprache und der Handpräferenz beim Menschen als bedeutendes Unterscheidungskriterium zu unseren nächsten nicht-humanen Verwandten sieht.

Die ‚Postural Origins Theorie‘ von MacNeilage (1991) beschreibt, dass bei arborealen Prosimiern eine hauptsächlich linksseitig-orientierte Verwendung der Arme vorliegt, bei welcher die rechte Hand nur eine haltungsbedingte Stütze darstellt. Diese einseitige Nutzung verlagert sich jedoch aufgrund einer Lebensraumumstellung zur zunehmend terrestrischen Lebensweise in die gegensätzliche Richtung. Heutzutage wird daher die Manipulation von Gegenständen bei höheren Affenspezies mit der rechten Hand durchgeführt, niedrigere Primatenpopulationen weisen nach wie vor eine Bevorzugung der linken Hand auf (MacNeilage, 1991).

Laut der ‚Bipedie Theorie’ steht das Vorhandensein einer zweibeinigen Fortbewegung in einer direkten Korrelation mit der Lateralisierung des Gehirns und der einseitigen Nutzung der Hände. Da zum Aufrechthalten der Balance beim bipeden Gang auch bessere cerebrale Fähigkeiten notwendig sind, kann sich gleichzeitig eine einseitige Verwendung der rechten Hand ausbilden (Westergaard et al., 1998).

Die von Fagot und Vauclair (1991) postulierte ‚Aufgaben-Komplexität-Theorie‘ basiert auf der Tatsache, dass deutlicher ausgeprägte Handpräferenzen vor allem bei komplizierteren Aufgabenstellungen auftreten. Je komplexer die gestellte Aufgabe, desto intensiver die Ausprägung der Lateralität in nicht-humanen Primaten.

Trotz einer empirisch belegten Entwicklung einer Handpräferenz sowohl in humanen Vorfahren als auch in nicht-humanen Primaten vor vielen Millionen Jahren, lässt sich für viele Theorien und Vermutungen auch Kritik finden. So sind sich Pickering und Hensley-Marschand (2008) einig, dass die bisher durchgeführten Studien bis zum heutigen Zeitpunkt keine wirklich aussagekräftigen Ergebnisse geliefert haben und daher das Zurückführen auf eine bestimmte Händigkeit eher zweifelhaft scheint. Nichtsdestotrotz lässt sich die in der heutigen Gesellschaft überwiegend vorhandene Präferenz der rechten Hand nicht leugnen und resultiert folglich auch in zahlreichen Theorien zur Entstehung der einseitigen Handnutzung im Menschen, wie nachfolgend beschrieben.

3.2 Theorien zu Entstehung der Händigkeit des Menschen

Ein erstes relevantes Gedankenkonzept zum dominierenden Auftreten der Rechtshändigkeit in der Menschheit wurde von A. Buchanan im Jahr 1862 entwickelt. In diesem postuliert er den zentralen Einfluss der Lage der inneren Organe auf die Ausprägung der präferierten Hand des Menschen. Bei einer Bewegung wie dem Laufen dehnt sich die rechte Lunge, welche eine größere Kapazität aufweist, stärker im Brustkorb aus. Aufgrund dieser Tatsache wird die Leber mitbewegt und somit auf die rechte Seite verlagert. Diese neue Positionierung der Leber beeinflusst im Weiteren die Verschiebung des Schwerpunktes des gesamten Körpers in die gleiche Richtung. Durch diese Verlagerung wird eine freiere Bewegung des rechten Beines und Armes ermöglicht und erlaubt demnach einen häufigeren Einsatz dieser Gliedmaßen (Springer & Deutsch, 1998).

Im 19. Jahrhundert veröffentlichte Thomas Carlyle die ‚Schwert und Schild Theorie‘. Laut dieser halten Soldaten ihre Schilder zumeist in der linken Hand um ihr Herz zu schützen. Eine Konsequenz dieser Handlung ist folglich die Nutzung der rechten Hand für das Kämpfen und Halten der Waffen. Im Zuge vieler kriegerischer Auseinandersetzungen wurde die rechte Hand daher geschickter, feinfühliger und regelmäßiger für alltägliche Tätigkeiten genutzt. Diese Theorie lässt jedoch außer Acht, dass auch nicht kriegerisch aktive Frauen, rechtshändig waren (Springer & Deutsch, 1998).

Das ‚Konzept der cerebralen Dominanz‘ beschreibt die Rechtshändigkeit als Resultat der ursprünglich vermuteten funktionellen Überlegenheit des linken Gehirns. Die Theorie kann jedoch keine Erklärung für das Auftreten der Dominanz der linken Hemisphäre bezüglich der Sprache bei 70% aller Linkshänder erbringen (Springer & Deutsch, 1998).

Die als ‚Umwelttheorie‘ bekannte These von Robert Collins schreibt den kulturellen Neigungen und Ausrichtungen der Umwelt einen zentralen Einfluss auf die Entstehung einer Händigkeit zu. In diesem Zusammenhang existiert jedoch keine Begründung dafür, dass heutzutage nur eine Hand als dominant angesehen werden kann. Zudem lässt diese Hypothese die Frage offen, warum es keine Bedingungen gibt, welche die Verwendung der anderen Hand begünstigt (Springer & Deutsch, 1998).

In allen kurz geschilderten Theorien finden sich keine Ansätze zur Erklärung der Verteilung von Links- und Rechtshändern sowie des generellen Auftretens von Linkshändern. In dieser Hinsicht geben einerseits die genetischen Modelle von Annett (1985) und McManus (1991) Aufschluss. Andererseits lassen auch viele Studien in Familien und mit Zwillingen darauf schließen, dass die Händigkeit eine genetische Grundlage besitzt (Warren et al., 2012; Medland et al., 2009).

Die älteste genetische Theorie von Abram Blau aus dem Jahr 1946 beruht auf der Gegebenheit, dass die Händigkeit durch die Wirkung eines Genes, welches in den zwei Allelen R und l vorliegt, determiniert wird. Während das Allel R dominant und mit Rechtshändigkeit assoziiert ist, beschreibt l das rezessive Linkshändigkeitsallel. Nur Personen, welche zwei rezessive l-Allele erhalten, entwickeln sich zu Linkshändern. Dies erklärt das Auftreten der Linkshänder in einem sehr geringen Prozentsatz. Nichtsdestotrotz kann mit dieser These nicht das Vorhandensein von 54% rechtshändigen Nachkommen bei zwei linkshändigen Eltern verstanden werden. Als Lösungsansatz dieser Problematik wurde die ursprüngliche Hypothese um das ‚Konzept der unvollständigen Penetranz‘ ergänzt. In diesem wird postuliert, dass sich bei Vorliegen des gleichen Genotyps verschiedener Individuen nicht die gleiche phänotypische Ausprägung entwickeln muss (Springer & Deutsch, 1998).

Eine weitere genetisch-basierte Vermutung wagt Marion Annett (1985), die das dominante Gen RS+ definierte, welches sich für eine Entwicklung der Sprache in der linken Gehirnhälfte verantwortlich zeigt. Eine Folge der Präsenz dieses Gens im Genotyp einer Person stellt auch gleichzeitig die besseren Fähigkeiten der rechten Hand dar. Das Vorhandensein des rezessiven Gens RS- verhindert demgegenüber die Verlagerung der Sprachentwicklung und der Handfähigkeiten auf eine bestimmte Seite. Da die Anwesenheit des RS+ Gens relevant für eine Ausprägung der Rechtshändigkeit und linksdominierten Sprachentwicklung ist, wird diese Annahme als ‚Right Shift Theorie‘ zusammengefasst. Bei Vorliegen einer gleichmäßigen Verteilung der beiden allelischen Ausprägungen des Gens lautet der Genotyp von 50% der Personen RS+RS-, von 25% RS+RS+ und von 25% RS-RS-. Aufgrund der resultierenden Rechtsverschiebung (Right Shift) bei der Präsenz des RS+ Gens besitzen folglich insgesamt 75% der Personen eine linkshemisphärische Sprache und Rechtshändigkeit. Neben den beiden genannten Allelen können auch zufällige Faktoren die Seitigkeit der Sprache oder der Hände der betroffenen Personen beeinflussen. Vor allem in der Population mit RS-RS- Genotypen spielen vorliegende Umwelteinflüsse eine wesentliche Rolle. Diese externen Einflussfaktoren können die Ausprägung der Individuen mit RS-RS-Genotyp (25%) nochmals bezüglich der Händigkeit aufspalten, sodass die Hälfte der Gruppe (12.5%) rechtshändig wird, während sich die anderen 12.5% zu Linkshändern entwickeln. Diese Prozentzahlen entsprechen auch der tatsächlichen Verteilung von Links- und Rechtshändern in der heutigen Population (Springer & Deutsch, 1998).

Im Vergleich dazu beschrieb McManus sechs Jahre später ein weiteres genetisches Modell zur Erklärung der Händigkeitsverteilung, welches auf der vorliegenden Handpräferenz basiert (McManus, 1991). Als genetische Grundlage zur Vererbung der Händigkeit beschreibt er die beiden Allele D (Dextral) und C (Chance), welche in unterschiedlichen Kombinationen zu zahlreichen Genotypen führen können. Beim Vorliegen einer homozygoten Ausprägung DD kommt es zur direkten Bildung einer Asymmetrie, welche in Form von Rechtshändigkeit auftritt. Demgegenüber weist der CC Genotyp eher eine fluktuierende Entstehung von Asymmetrien auf und demnach werden die Personen rein zufällig zu Links- oder Rechtshändern (McManus, 1991). Laut McManus` Modell liegt bei zwei rechtshändigen Eltern die Wahrscheinlichkeit ein linkshändiges Kind zu erhalten bei 5.97%. Paare, die eine unterschiedliche Händigkeit besitzen haben mit 17.42% eine erhöhte Chance auf linkshändigen Nachwuchs. Bei zwei Linkshändern als Eltern ist das Auftreten von linkshändigen Nachkommen mit einem Wert von 28.87% am häufigsten. Diese Berechnungen beschreiben, die aus zahlreichen Familienstudien gefundenen Daten sehr gut und spiegeln das Verhältnis der links- und rechtshändigen Kinder korrekt wider. Das Vorliegen einer Beidhändigkeit schließt McManus vollkommen aus, er beschreibt nur zwei Möglichkeiten einer Händigkeit – die Neigung zur rechten oder zur linken Seite (McManus, 1991).

Die Entstehung der Händigkeit kann auch anhand einer pathologischen Grundlage, bei welcher peri- und pränatale Risikofaktoren die vorliegende Handpräferenz verursachen, erklärt werden. Bakan et al. (1973) nehmen an, dass die Linkshändigkeit pathologisch bedingt ist und hauptsächlich durch Geburtstraumata verursacht wird. Daher kommen Linkshänder in jenen Familien, in denen erblich bedingt häufiger schwierige Geburten und Schwangerschaftsprobleme auftreten, häufiger vor. Bereits ein Jahr zuvor beschreibt Satz (1972), dass pathologische Faktoren neben dem Einfluss auf verschiedenste Erkrankungen auch einen erheblichen Beitrag zum Auftreten von Linkshändern leisten. Er assoziiert die vorliegende Linkshändigkeit mit dem Syndrom der ‚Pathologischen Linkshändigkeit (PLH)‘, bei welchem Betroffene eine unvollständige Entwicklung der rechten Seite des Körpers sowie eine Beeinträchtigung visuell-räumlicher Fähigkeiten besitzen (Springer & Deutsch, 1998). Die Annahme, dass krankhafte Veränderungen die Linkshändigkeit bedingen, wird durch die Veröffentlichung des Apgar-Index gestützt. Dieser wird kurz nach der Geburt am Kind erhoben und gibt den gesundheitlichen Zustand des Neugeborenen an. Ein (zu) niedriger Index weist auf einen Sauerstoffmangel oder neurologische Anomalien hin. Bei linkshändigen Personen zeigt sich eine Korrelation der Linkshändigkeit mit den zu geringen Werten des Apgar-Index im Säuglingsalter (Springer & Deutsch, 1998).

Nach der Behandlung zahlreicher Theorien zur Begründung der Verteilung der Händigkeit beschreibt das folgende Kapitel Ansätze zur Klassifizierung einzelner Händigkeitsgruppen.

3.3 Klassifizierung anhand der Händigkeit

Zur Diagnostik der vorliegenden Händigkeit von Personen können grundsätzlich zwei Verfahren herangezogen werden. Zunächst kann eine Gruppierung anhand der bevorzugten Hand in linkshändig, rechtshändig oder beidhändig erfolgen. In dieser Hinsicht werden Personen, welche mit beiden Händen eine ähnliche Geschicklichkeit aufweisen als beidhändig oder ambidexter bezeichnet. Die stärkere Bevorzugung der linken Hand klassifiziert Individuen als Linkshänder, während eine präferierte Verwendung der rechten Hand einen Rechtshänder beschreibt (Pritzel, 2006).

Diese Unterteilung in drei Subtypen stellt sich jedoch häufig als problematisch dar, da keine allgemein-gültigen Kriterien zur genauen Klassifizierung der Händigkeit bekannt sind oder herangezogen werden können. Demnach ist es fraglich, ob die Anzahl der absolvierten Aufgabenstellungen oder die Komplexität der Fertigkeit bestimmt, ob eine Person einer Gruppe zugehörig gesehen werden kann. Pritzel (2006) postuliert, dass Händigkeit daher eher entlang eines Kontinuums gesehen werden muss, welches von einer stark ausgeprägten Rechtshändigkeit bis zur stark ausgeprägten Linkshändigkeit reicht. Aufgrund der zwischen den Extremwerten vorhandenen Zwischenstufen kann in weiterer Folge eine feinere Zuteilung einer Person in spezifischere Händigkeitsgruppen erfolgen.

Als mögliche Differenzierungsgrundlage der Händigkeit kann ebenso eine Einteilung auf der Basis der Leistungs- oder Präferenzverwendung einer Hand herangezogen werden. Die Leistungsverwendung definiert den Einsatz einer Hand aufgrund der erbrachten Leistungen und Fertigkeiten dieser, welche hauptsächlich bei Zunahme der Komplexität einer Aufgabenstellung Anwendung findet. Im Gegensatz dazu beschreibt die Präferenzverwendung jene Nutzung, welche auf Vorlieben für bestimmte Tätigkeiten beruht (Schilling, 2006). Die Verteilungen dieser beiden Nutzungsvarianten in der gesamten Population werden von Wehr und Weinmann (1999) grafisch dargestellt und in Abbildung 2 illustriert.

Abbildung 2. Verteilung der Präferenz- und Leistungsverwendung der Hände (Wehr & Weinmann, 1999).

In dieser Grafik werden die beiden Kurven zur Leistungsverwendung (durchgehende Linie) und zur Präferenzverwendung (gestrichelte Linie) in einem Diagramm dargestellt. Entlang der X-Achse, wird die Händigkeit (linkshändig vs. rechtshändig) aufgetragen und die Y-Achse spiegelt die Häufigkeit dieser Händigkeitstypen wider.

Der Verlauf der Kurve, welche die Leistungsverwendung der Hände innerhalb der Bevölkerung darstellt, besitzt die Gestalt einer Glocke (durchgehende Linie). Die beiden abgeflachten Seitenränder dieser Glocke repräsentieren die am stärksten ausgeprägte Händigkeit und somit eindeutige Rechts- oder Linkshänder. Diese umfassen jedoch nur eine geringe Anzahl an Personen, der Großteil der Menschheit findet sich in der Mitte der Glockenkurve wieder, welche eine eher beidhändige Nutzung signalisiert. Da die Kurve eine Verschiebung zur Seite der ausgeprägten Rechtshändigkeit aufweist wird deutlich die bevorzugte Verwendung der rechten Hand in der Bevölkerung ersichtlich. Demgegenüber nimmt die Verteilung der Präferenzverwendung (gestrichelte Linie) eine J-förmige Gestalt an. Mithilfe dieser wird die Mehrheit der Personen als Rechtshänder eingestuft und nur ein kleiner Teil als linkshändig deklariert (Abbildung 2; Wehr & Weinmann, 1999).

Da bereits aus den vorangegangenen Kapiteln hervorgeht, dass die Verteilung der Händigkeit und die Präsenz bestimmter Händigkeitsgruppen sehr unterschiedlich sein kann, behandelt der nächste Abschnitt Faktoren, welche die vorliegende Händigkeit einer Person beeinflussen können.

3.4 Einflussfaktoren für die Händigkeit

Die asymmetrische Verteilung der Handpräferenz in der menschlichen Bevölkerung kann auf eine Vielzahl von Faktoren zurückgeführt werden. Lazenby et al. (2008) nennen in diesem Zusammenhang das Alter, das Geschlecht und die Komplexität der Aufgabenstellung als maßgeblich beeinflussend für die Wahl der präferierten Hand. Eine Studie von Marschik et al. (2007) zeigt den Effekt des Alters auf die Händigkeit, da beim Turmbauen mit Bausteinen bei Kindern bis zum siebenten Lebensjahr noch keine stabile Handpräferenz vorhanden ist. Bereits im Uterus sollen diesbezüglich erste Einflüsse auf den Körper des Ungeborenen wirken und diesen in weiterer Folge prägen. Zudem wird im Laufe der weiteren Entwicklung die Händigkeit merklich durch soziale und kulturelle Aspekte beeinflusst (Lansky et al., 1988). Diese inkludieren rituelle Handlungen wie im Christentum, in dem das Bekreuzigen oder Schwören mit der rechten Hand durchgeführt wird. Ebenso prägen Traditionen die hauptsächliche Verwendung einer Hand, da im Falle einer Begrüßung durch Händeschütteln dies zumeist mit der rechten Hand durchgeführt wird (Pritzel, 2006). Möglicherweise bestimmt auch die sensomotorische Seitigkeit, die Tendenz zu spontanen leichten Drehbewegungen, die Händigkeit einer Person. Da im Zuge dieser Drehbewegung eine Körperhälfte und auch eine Hand eher im Vordergrund positioniert wird, erhält diese eher die Möglichkeit eine Handlung durchzuführen (Pritzel, 2006). Das Geschlecht scheint ebenso einen Einfluss auf die Händigkeit einer Person auszuüben. So finden Peters et al. (2006) einen signifikanten Sexualdimorphismus in der Händigkeit in einer weltweiten Stichprobe, wobei Linkshänder häufiger unter Männern aufzufinden sind. Betreffend geografischer Unterschiede im Auftreten einer Händigkeit, belegen Raymond und Pontier (2004) eine substantielle Variation, welche hauptsächlich auf dem stark variierenden Vorkommen von Linkshändern innerhalb einer Population beruht (Llaurens et al., 2009).

Im abschließenden Kapitel zur Händigkeit werden die bereits beschriebenen Verteilungen unterschiedlicher Händigkeitsgruppen mithilfe von statistischen Daten belegt.

3.5 Statistische Daten und Fakten

Die offensichtlich eindeutige Mehrheit von Rechtshändern in der menschlichen Population lässt sich auch mithilfe statistischer Fakten klar belegen. Nach Pritzel (2006) sind 70% der Menschheit rechtshändig, während die restlichen 30% jene Personen inkludieren, die beidhändig sind, jene, die nur wenige konkrete Aufgaben wie das Schreiben mit der rechten Hand ausführen und auch Linkshänder d.h. Individuen die mit links schreiben bzw. Aufgabenstellungen nur mit der linken Hand absolvieren. Bereits 1992 konnte eine Studie von Coren in einer griechischen Probandengruppe zeigen, dass 88.1% der Personen Rechtshänder sind, nur 10.3% linkshändig und zu Beidhändern gar nur 1.6% zählen. Auch die Ergebnisse von Annett (1985) zeigen, dass der moderne Mensch ein Rechtshänder ist und dies auf 90% der Menschheit zutrifft.

Die Anzahl linkshändiger Personen übersteigt in keiner menschlichen Population einen Wert von 50% (Faurie et al., 2005). Raymond und Pontier (2004) schätzen, dass der Anteil an Linkshändern, welcher im Vergleich zu den Rechtshändern deutlich reduziert ist, nur in einem Bereich von 0-27% schwankt und diese Häufigkeit populationsabhängig ist. Annett (1985) postuliert in allen Kulturen gar einen Minimalwert von 10% an linkshändigen Individuen. Laut Llaurens et al. (2009) hat es bis zum heutigen Zeitpunkt noch keine Berichte über eine menschliche Population gegeben, in welcher linkshändige Individuen prädominieren. Unter wenig Bekanntheit existieren jedoch weltweit einige traditionelle Gesellschaften, deren Anzahl an linkshändigen Personen den Wert anderer Populationen deutlich übertrifft. Zu diesen zählen unter anderem die Baka, Gruppen in Burkina Faso, die Eipo und die Inuit, deren Linkshändigkeit vor allem beim Gebrauch von Waffen zum Tragen kommt (Faurie et al., 2005).

Eine Einteilung der menschlichen Population anhand der Händigkeit liefert ein aktuelles Verhältnis von 80 Rechtshändern zu 5 Beidhändigen zu 15 Linkshändigen (Jaskulska, 2009). Dieses Muster sei, laut McManus et al. (2010), bereits in historischen Populationen aufgetreten und bis heute erhalten geblieben.

Die Beschäftigung mit der Thematik der Linkshändigkeit stellt ein bedeutendes Forschungsgebiet innerhalb der Lateralitätsanalyse dar. Neben den Hintergründen für die Entstehung einer Linkshändigkeit und der erstaunlichen zahlenmäßigen Konstanz linkshändiger Populationen in der heutigen Welt, steht auch eine dritte Kernfrage im Fokus des Forschungsinteresses. Dabei soll untersucht werden, ob sich der tatsächliche Level an linkshändigen Individuen mit den in zahlreichen Theorien prognostizierten Zahlen deckt (Faurie & Raymond, 2004).

Das nächste Kapitel beschreibt die Zusammenhänge und auch gegenseitige Beeinflussung der diversen bereits vorgestellten Lateralitätsphänomene des menschlichen Körpers. So werden unter anderem die Korrelationen der Händigkeit mit vorliegenden Asymmetrien des Gehirns oder der Füßigkeit beleuchtet. Zudem wird auch der Einfluss der Handpräferenz einer Person auf zahlreiche körperliche und persönliche Parameter wie das Taillen-Hüft-Verhältnis oder die Handkraftstärke sowie kognitive Leistungsvariablen oder das Risikoverhalten kurz illustriert.

4 – KORRELATION DER LATERALITÄTSPHÄNOMENE DES MENSCHEN

Nach der Betrachtung und Charakterisierung cerebraler Asymmetrien, kognitiver Leistungsvariablen und der Händigkeit in den vorangegangenen Abschnitten soll in diesem Kapitel auf die Korrelationen dieser Merkmale miteinander als auch mit weiteren Parametern näher eingegangen werden.
4.1 Händigkeit als Indikator körperlicher und persönlicher Eigenschaften

Die vorliegende Händigkeit steht häufig in Zusammenhang mit weiteren charakteristischen körperlichen und auch persönlichen Merkmalen einer Person. Die folgenden Unterkapitel bieten einen Überblick über die Ergebnisse diverser Studien zur Handpräferenz und zeigen Korrelationen mit spezifischen Eigenschaften auf.

4.1.1 Der Zusammenhang von Händigkeit und Gehirnasymmetrien

Ein Charakteristikum zur Differenzierung links- und rechtshändiger Personen stellen anatomische Asymmetrien des menschlichen Gehirns dar. So weist das Planum temporale eines Rechtshänders eine deutlicher linksgerichtete Asymmetrie auf als das eines Linkshänders. Jäncke (2006) vermutet hinter dieser anatomischen Differenz die Grundlage der Sprachlateralisierung. Der Sulcus centralis, dessen Tiefe als Indikator für die Größe des handmotorischen Areals gilt, variiert bei Personen mit unterschiedlicher Händigkeit. Bei Linkshändern ist die Tiefe in der linken Hemisphäre reduziert oder in der rechten Gehirnhälfte vergrößert. Dies lässt vermuten, dass jenes Handareal, welches kontralateral zur dominanten Hand liegt, eine Vergrößerung aufweist (Jäncke, 2006).

Studien der funktionalen Hirnasymmetrien bei Links- und Rechtshändern deuten bei über 95% der Rechtshänder, die keine Schädigungen im Gehirn erlitten haben, darauf hin, dass das Sprechen und Sprachfunktionen von der linken Hemisphäre kontrolliert werden. Diese Ergebnisse belegen die Brocasche Regel, laut welcher diejenige Gehirnhälfte die Sprache kontrolliert, die der bevorzugten Hand gegenüber liegt (Springer & Deutsch, 1998). Bei Linkshändern kommt es ebenfalls hauptsächlich zum Vorhandensein einer überwiegend linkshemisphärischen Sprachfunktion. Diese ist jedoch im Vergleich zu den Rechtshändern geringer, da sie nur bei 70% der linkshändigen Individuen auftritt. Weitere 15% der Benutzer der linken Hand weisen eine rechtshemisphärisch-kontrollierte Sprachfunktion auf, während bei den restlichen 15% eine bilaterale Kontrolle durch beide Hemisphären erkennbar ist (Springer & Deutsch, 1998).

In ihrer Hypothese behauptet Levy (1969), dass Sprache und visuell-räumliche Funktionen in einer Hemisphäre konkurrieren. Bei Linkshändern werden die cerebralen Zentren der visuell-räumlichen Funktionen, welche sich in der rechten Hemisphäre befinden, durch die ebenfalls dort befindlichen Sprachzentren zurückgedrängt. Daher sollten linkshändige Testteilnehmer bei visuell-räumlichen Aufgabenstellungen im Vergleich zu Rechtshändern schlechter abschneiden, jedoch ein ähnliches sprachliche Niveau links- und rechtshändiger Probanden vorliegen. In ihren empirischen Studien konnte Levy diese Annahmen eines Defizits der Linkshänder bei visuell-räumlichen Anwendungsbeispielen schlussendlich auch belegen (Levy, 1969). Dass visuell-räumliche Fähigkeiten demnach sehr stark von der rechten Hemisphäre kontrolliert werden und daher Aufgaben diesbezüglich besser mithilfe der linken Hand ausgeführt werden, bestätigen auch die Ergebnisse von Split-Brain Patienten (Springer & Deutsch, 1998). Im Vergleich dazu postulieren De Agostini und Dellatolas (2001) einen Vorteil der Linkshänder beim räumlichen Vorstellungsvermögen und ihre Ergebnisse deuten auf einen Nachteil linkshändiger Testpersonen bei verbalen Aufgabenstellungen hin (DeAgostini & Dellatolas, 2001).

Eine temporale Lobektomie auf der linken Seite des Gehirns führt bei den davon betroffenen Patienten zu Problemen beim Erlernen sowie der Speicherung von sprachlichem Material. Konträr zu diesen besitzen Personen mit einer rechtsseitigen Entfernung des Temporallappens Schwierigkeiten in der Aufarbeitung von nicht-sprachlichem Material wie z.B. der Benennung von abstrakten Mustern (Springer & Deutsch, 1998). Schädigungen des hinteren linken Parietallappens hingegen haben eine Beeinträchtigung des kurzzeitigen phonologischen Gedächtnisses zur Folge (Shallice & Vallar, 1990). Im Gegensatz dazu kommt es bei einer Zerstörung des hinteren Areals der rechten Hemisphäre zu Abweichungen im visuell-räumlichen Kurzzeitgedächtnis (DeRenzi & Nichelli, 1975).

4.1.2 Der Zusammenhang von Händigkeit und lateralen Präferenzen

In einem zentralen Forschungsbereich der Händigkeit wird die Korrelation dieser mit weiteren Lateralitätsphänomenen analysiert. Bereits 1917 postulierte Smith die ‚Hand-Fuß-Theorie‘, welche eine Übereinstimmung der Händigkeit und der Füßigkeit bezüglich einer Seite beschreibt (Smith, 1917). Diese Behauptung befürworten auch Elias et al. (1998), die davon ausgehen, dass die meisten Personen ungekreuzte laterale Präferenzen besitzen. Die größte Korrelation bezüglich einer Lokalisation auf der gleichen Körperhälfte kann für die Präferenzen von Händen und Füßen detektiert werden (Polemikos & Papaeliou, 2000; Springer & Deutsch, 1998). Diesbezüglich zeigen die Daten von Coren (1992), dass bei 84% der Untersuchten die dominante Hand und der bevorzugte Fuß auf der gleichen Seite liegen. Bei Linkshändern ist weder eine sehr ausgeprägte noch eine eindeutige Präferenz für den linken Fuß erkennbar (Peters, 1988). Bei diesen wird angenommen, dass häufiger eine gekreuzte laterale Bevorzugung existiert, welche durch das Auftreten von 20-50% bevorzugten Rechtsfüßigen unter den Linkshändern unterstützt wird (Elias et al., 1998). Laut Peters (1988) verwendet die Mehrzahl der Rechtshänder den rechten Fuß.

Die Studie von Polemikos und Papaeliou (2000) belegt nachweislich eine sehr schwache Beziehung zwischen der präferierten Hand und dem bevorzugten Auge einer Person. Der kleinste Zusammenhang wurde bei der favorisierten Seite von Hand und Ohr festgestellt, da dieser nur bei 63% der Probanden auf der gleichen Körperhälfte aufzufinden war (Coren, 1992).

4.1.3 Der Zusammenhang von Händigkeit und soziodemografischen Parametern

Vermutungen zur Kreativität der Links- und Rechtshänder wurden ebenso angestellt wie Theorien zu unterschiedlichen Einkommenshöhen, der sexuellen Orientierung oder der Anzahl der Nachkommen der beiden Händigkeitsgruppen. Aufgrund einer Wechselwirkung der sprachlichen und nicht-sprachlichen Funktionen innerhalb der gleichen Hemisphäre werden Linkshänder in der Literatur oft als kreativer bezeichnet. Diese Aussage wird durch eine große Anzahl an linkshändigen Künstlern wie Leonardo daVinci, Michelangelo oder den zeitgenössischen Maler Lucian Freud gestützt (Springer & Deutsch, 1998). Eine Theorie von Coren (1995) stellt die Vermutung auf, dass Kreativität im Zusammenhang mit Linkshändigkeit häufiger bei Männern auftritt. Studien zum Vergleich des Einkommenslevels bei unterschiedlicher Händigkeit konnten aufzeigen, dass linkshändige Männer einen um 4% höheren Stundenlohn erhalten als ihre rechtshändigen Kommilitonen (Denny & O´Sullivan, 2007). Eine Metaanalyse zur Korrelation der Handpräferenz und der sexuellen Orientierung der Probanden belegte eindeutig, dass homosexuelle Individuen zu 39% wahrscheinlicher linkshändig sind als Heterosexuelle (Lalumiere et al., 2000). Bezüglich der Anzahl der Nachkommen weisen die Ergebnisse von Gangestad und Yeo
(1994) sowie von McManus und Bryden (1992) auf eine reduzierte Kinderanzahl bei Linkshändern im Vergleich zu Rechtshändern hin.

4.1.4 Der Zusammenhang von Händigkeit und Sensation Seeking

Sensation Seeking ist eine persönlichkeitsbezogene Eigenschaft, welche durch das Bedürfnis vielfältige, neue und komplexe Erfahrungen zu machen und die Bereitschaft, dafür soziale und physische Risiken einzugehen, charakterisiert wird (Zuckerman et al., 1978). Laut Zuckerman et al. (1978) definiert sich ein Sensation Seeker durch seine Tendenz zu überaktivem, nonkonformistischem, extravertiertem und dabei auch antisozialem Verhalten. Demnach ist er wenig ängstlich und neigt zu Impulsivität.

Diese bewusste Suche nach stimulierenden und neuen Reizen wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. So hat das Lebensalter einen starken Einfluss, da mit zunehmendem Alter ein Abfall in der Suche nach Stimulation auftritt. Bereits 1978 konnten Zuckerman et al. ein deutlicher ausgeprägtes Risikoverhalten und Sensation Seeking bei Männern feststellen. Des Weiteren können die persönliche Erfahrungen, Konstitutionen und Lernerfahrungen die Reaktion auf einen Stimulus beeinflussen (Müller & Huber, 2003). Laut Zuckerman (1994) lassen sich auch Geschlechtsunterschiede feststellen, welche aufgrund des Einflusses von Testosteron zu höheren Werten in Männern führen. Ergebnisse von Roth et al. (2005) belegen, dass Sensation Seeking Werte auch mit höherem Einkommen und der Ausbildung steigen. Bezüglich der Händigkeit können keine Studien gefunden welche auf ein unterschiedliches Sensation Seeking-Verhalten zwischen Rechts- und Linkshändern hindeuten. Laut Christman (2014) existiert bei Betrachtung rechts- und linkshändiger Probanden keine Differenz im Sensation Seeking. Jedoch konnten Hicks und Pellegrini (1978) nachweisen, dass Linkshänder signifikant ängstlicher als rechtshändige Testpersonen sind. Diese Resultate werden durch Untersuchungen von Wright und Hardie (2012) gestützt.

4.1.5 Der Zusammenhang von Händigkeit und den Fingerlängenverhältnissen

Bei einer Analyse der Verhältnisse der Fingerlängen (Digit Ratio) werden die Längen bestimmter Finger einer Hand zueinander in Beziehung gesetzt. Die größte Bedeutung kommt dabei dem Verhältnis der Länge von Zeigefinger (2D) zu Ringfinger (4D) einer Hand zu, welche auch als 2D:4D Digit Ratio bekannt ist (Fink et al., 2003).

Bereits im Uterus wird das 2D:4D Verhältnis durch die Konzentration der vorliegenden Sexualhormone determiniert und spiegelt diesen Hormonwert daher auch wider (Putz et al., 2004). In dieser Hinsicht korreliert die Digit Ratio negativ mit pränatalem Testosteron und positiv mit pränatalem Östrogen (Manning et al., 1998). Als Folge dieser Einflüsse belegen die Untersuchungen von Manning (2002), dass das 2D:4D Verhältnis sexuell dimorph ausgeprägt ist. Dieser Sexualdimorphismus äußert sich in der Tatsache, dass Männer geringere 2D:4D Werte aufweisen und daher längere Ringfinger im Vergleich zum jeweiligen Zeigefinger besitzen. Bei Frauen kann ein umgekehrtes Verhältnis identifiziert werden, da deren Zeigefinger im Durchschnitt länger als die Ringfinger sind (Phelps, 1952). Diese geschlechtsspezifischen Differenzen treten unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit auf (Manning, 2002). Zudem ist die Digit Rate bei beiden Geschlechtern an der rechten Hand stärker ausgeprägt und folglich auch deutlicher erkennbar (Hönnekopp & Watson, 2010).

Untersuchungen zum Zusammenhang des Alters und der 2D:4D Rate liefern unterschiedliche Resultate. Während Manning et al. (1998) keinen Effekt feststellen, so ermitteln Fink et al. (2004) eine reduzierte 2D:4D Rate mit zunehmendem Alter einer Person. Zusammenfassend beschreibt Gillam et al. (2008), dass nur ein schwacher oder kein Einfluss des Alters auf das Fingerlängenverhältnis vermutet werden kann.

Eine Studie von Beaton et al. (2012) ergibt, dass das 2D:4D Verhältnis bei Linkshändern kleiner als das der Rechtshänder ist. Ebenso lassen die Ergebnisse von Manning et al. (2000) darauf schließen, dass eine geringe 2D:4D Rate mit Linkshändigkeit assoziiert ist. Im Gegensatz dazu behaupten Gillam et al. (2008), dass das Zeige- zu Ringfingerverhältnis bei Linkshändern größer sei, wohingegen der längste Zeigefinger unter den rechtshändigen Frauen aufzufinden ist. Eine geringere Differenz des rechten und linken 2D:4D Verhältnisses weisen laut Beaton et al. (2011) die Linkshänder auf.

5 – Methoden und Durchführung  hier 

6 – Ergebnisse der Studie (statistischer Bericht)   hier 

7 – DISKUSSION DER RESULTATE

Die vorliegende Masterarbeit analysiert die Assoziation der Händigkeit mit zahlreichen persönlichen und körperlichen Charakteristika einer Person. Als Grundlage für die Studie werden die gesammelten Daten von 104 Probanden mit unterschiedlichen Handpräferenzen herangezogen. Die anschließende deskriptive und inferenzstatistische Analyse des erhobenen Datenmaterials dient der Überprüfung von sieben Alternativhypothesen, deren Formulierung aus der aktuellen Literatur abgeleitet wurde. Zudem wird ein Fokus auf die explorative Erforschung händigkeitsbezogener Differenzen zwischen den einzelnen Versuchsgruppen gelegt.

Als Basis dieser Untersuchung wird die konventionelle Händigkeits-Einteilung der Probanden anhand der Schreibhand hinterfragt und ein alternativer quantitativer Ansatz zur Bestimmung der Händigkeit eingeführt. Der Händigkeits-Index der Untersuchten errechnet sich anhand von 27 absolvierten praktischen Aufgabenstellungen nach der Formel AR – AL (Aktivitäten rechts minus Aktivitäten links), wobei positive Zahlenwerte eine Präferenz der rechten Hand bedeuten und negative Werte mit Linkshändigkeit assoziiert sind. Probanden mit Ergebnissen zwischen -6 und +6 werden der Gruppe der Beidhändigen zugeordnet. Zudem erlaubt der Händigkeits-Index die Feststellung einer graduell abgestuften Ausprägung der Lateralität. Die nach methodisch unterschiedlichen Ansätzen der Händigkeitsbestimmung gebildeten Subgruppen der Stichprobe sowie eine kleinere Probandengruppe von umgelernten Linkshändern (N = 11) werden in Bezug auf die Fragestellung miteinander verglichen. In der untersuchten Dimension der Lateralität kann festgestellt werden, dass Unterschiede zwischen der rechten und linken Hand der Testpersonen deutlicher bei einer Analyse nach dem Händigkeits-Index ausgeprägt sind als bei der Differenzierung nach deren Schreibhand. Diese Resultate lassen darauf schließen, dass bei einer Betrachtung der Vergleichsgruppen nach dem Index der Händigkeit mehr als nur feinmotorische Qualitäten erfasst werden und den Resultaten mehr praktische Relevanz zukommt.

Zur ersten Hypothese (H1) dieser Arbeit, welche aufgrund genetischer Disposition das häufigere Vorhandensein weiterer Linkshänder in der Familie linkshändiger Probanden postuliert, können hochsignifikante Unterschiede in den links- und rechtshändigen Untersuchungsgruppen eindeutig belegt werden. Die Zahl linkshändiger Verwandter ist bei Linkshändern dieser Studie etwa dreimal so groß wie jene der rechtshändigen Teilnehmer. Ebenso kann in den Gruppen der Umgelernten und Beidhändigen eine größere Anzahl an weiteren Linkshändern im familiären Umfeld als bei Rechtshändern gefunden werden. Dieser familiäre Effekt der Händigkeit wird bereits durch die genetischen Erklärungen von Annett (1985) und McManus (1991) hervorgehoben. Darüberhinaus zeigt die Studie von McKeever (2000) einen Zusammenhang zwischen der Linkshändigkeit einer Person und dem häufigeren Auftreten linkshändiger Verwandter.

In der zweiten Hypothese (H2) werden Unterschiede in diversen Körpermaßen links- und rechtshändiger Probanden postuliert. Vor allem entlang der Arme treten bei Rechtshändern (tendenziell) signifikant größere Werte als bei Linkshändern auf. Sowohl die dominanten als auch die nicht-bevorzugten Arme rechtshändiger Teilnehmer weisen bei verschiedenen Umfangmessungen höhere Werte als die der Linkshänder auf. In beiden Vergleichsgruppen zeigen sich auf der Seite der bevorzugten Hand (rechte Hand bei Rechtshändern, linke Hand bei Linkshändern) größere Abmessungen als auf der nicht-dominanten Körperseite. Latimer und Lowrance (1965) finden in ihren Untersuchungen, dass alle Langknochen der oberen Extremitäten schwerer auf der rechten Seite und dass Knochen der linken Körperhälfte variabler in Gewicht und Länge sind. Ebenso zeigen Cuk et al. (2001), dass bei der Mehrheit der Menschen der rechte Arm besser entwickelt und somit stärker ist als der linke. Diese Ergebnisse können umgelegt auf die Probanden in dieser Studie zur Erklärung der stärker ausgeprägten rechten Arme beitragen.

Beim Vergleich der Körperproportionen der links- und rechtshändigen Untersuchungsteilnehmer wird festgestellt, dass Rechtshänder neben signifikant größeren Bauchumfängen in allen erhobenen Messwerten (Hals-, Taillen- und Hüftumfang) größere Durchschnittswerte als Linkshänder aufweisen. Diese Unterschiede können ein Resultat der evolutionär bedingten Fitnesskosten der linkshändigen Population sein (Faurie et al., 2006), welche neben einer größeren Anfälligkeit für Krankheiten auch ein reduziertes Geburtsgewicht sowie eine geringere Körpergröße im Erwachsenenalter inkludieren (Coren & Halpern, 1991).

Die in Hypothese H3 zusammengefassten Annahmen beziehen sich auf die unterschiedliche Verwendung der Extremitäten in den beiden Vergleichsgruppen. Generell kann anhand der erhobenen Daten eindeutig nachgewiesen werden, dass die Nutzung der linken und rechten Hand bei Links- und Rechtshändern hochsignifikant variiert. Der Unterschied im Einsatz der dominanten und nicht-dominanten Hand fällt in der Gruppe rechtshändiger Versuchspersonen deutlicher aus als bei Linkshändern. Dies bedeutet, dass linkshändige Personen ihre nicht-präferierte Hand häufiger einsetzen als die Rechtshänder, vor allem bei der Nutzung technischer Geräte. Am wenigsten eindeutig lateralisiert ist die Nutzung der Hände bei der Durchführung statischer und dynamischer Tätigkeiten. Geringere Asymmetrien in den Handfähigkeiten bei Linkshändern und die daraus resultierende größere intermanuelle Koordination wird durch Ergebnisse von Gorynia und Egenter (2000) bestätigt.

Zudem wird in dieser Untersuchung die Annahme, dass Rechts- und Linkshänder ungekreuzte Lateralitätspräferenzen besitzen (H 3.1), eindeutig belegt, da Rechtshänder hauptsächlich ihren rechten Fuß und Linkshänder ihren linken präferieren. Die Resultate stimmen mit Ergebnissen der Studie von Polemikos und Papaeliou (2000) überein, welche die größte Korrelation der präferierten Extremitäten aufzeigen, die auf der gleichen Körperhälfte lokalisiert sind.

Die Hypothese, dass Linkshänder mit ihren nicht-dominanten Händen geschickter sind als Rechtshänder (H 3.2) kann nicht vollständig belegt werden. Obwohl Linkshänder mit der dominanten Hand in den beiden Subtests des Hand-Dominanz-Tests höhere Werte als Rechtshänder erreichen, können sie nur teilweise bessere Ergebnisse mit ihrer weniger genutzten Hand erzielen. Zusätzlich differieren die erreichten Leistungen der Rechtshänder zwischen den beiden Händen stärker als jene der linkshändigen Probanden, was für eine ausgewogenere Leistungsverwendung der Linkshänder im Vergleich zu rechtshändigen Probanden spricht.

Die Leistungsverwendung der Hände entspricht innerhalb der Subgruppen einer Gauß’schen Glockenkurve (Annett, 2002), bei welcher sich der Großteil der Personen in der Mitte der Verteilung befindet. Es zeigt sich jedoch bei der Berechnung des Händigkeits-Index der Probanden, dass dieses Maximum in der Verteilung von Rechtshändern bei einer größeren Anzahl der von der dominanten Hand ausgeführten Tätigkeiten als bei Linkshändern liegt. Aus diesen Ergebnissen der Händigkeitsanalyse geht somit eindeutig hervor, dass bei Rechtshändern die Handpräferenz extremer ausgeprägt ist als bei Linkshändern. Die weniger konsistente Linkshändigkeit ist vermutlich auf die Adaption linkshändiger Personen an eine Rechtshänderwelt zurückzuführen (Wright, 2005). Ebenso können Prichard et al. (2013) in ihren Daten eine größere Inkonsistenz der Händigkeit bei Linkshändern im Vergleich zu Rechtshändern feststellen. Diese Annahme wird auch durch die in der vorliegenden Untersuchung erhaltenen Resultate in der Kategorie ‚Technik‘ bestätigt, in der die Handpräferenz bei Tätigkeiten, die den Einsatz technischer Hilfsmittel verlangen, erfasst wird. Da technische Geräte zumeist für Rechtshänder ausgelegt sind, zeigt sich in diesem Bereich bei Linkshändern ein vermehrter Einsatz der nicht-dominanten rechten Hand. Demgegenüber weisen häufige und alltäglich durchgeführte Aktivitäten und Handlungen in der Freizeit den stärksten Einsatz der dominanten Hand in beiden Vergleichsgruppen auf.

Für die folgende Hypothese H4 diese Erklärung zum Sensation Seeking lesen.
Die Untersuchung von Persönlichkeitsmerkmalen in Bezug auf die Händigkeit bringt teilweise signifikante Unterschiede in den Dimensionen des Sensation Seeking-Verhaltens zwischen den Vergleichsgruppen hervor, wie bereits in Hypothese H4 postuliert. Beim Thrill and Adventure Seeking (TAS), der Disinhibition (DIS), dem Experience Seeking (ES) und dem Gesamtwert des Sensation Seeking (SS) Verhaltens können bei den Linkshändern (tendenziell) signifikant höhere Werte als bei rechtshändigen Teilnehmern festgestellt werden. Laut Christman (2014) zeigt sich bei Betrachtung rechts- und linkshändiger Probanden keine Differenz im Sensation Seeking-Verhalten oder in einer der Subskalen. Wright und Hardie (2012) haben gefunden, dass linkshändige Probanden signifikant ängstlicher als Rechtshänder sind. Diese Behauptungen stehen jedoch im Widerspruch mit den in dieser Studie erhaltenen Resultaten, welche ein größeres Risikoverhalten der linkshändigen Testpersonen aufzeigen. Untersuchungen von Roth et al. (2005) zeigen, dass Sensation Seeking-Werte auch mit höherem Einkommen und einer besseren Ausbildung steigen. Diese Resultate können auch in der vorliegenden Forschungsarbeit belegt werden, da die linkshändigen Teilnehmer den höchsten Ausbildungsgrad aller Vergleichsgruppen aufweisen. Das größere Risikoverhalten kann auch auf einem evolutionären Erklärungsansatz basieren. Die ständige Dominanz rechtshändiger Populationen sowie die daraus resultierenden Fitnesskosten der Linkshänder (Faurie et al., 2005) können dazu geführt haben, dass diese sich als Gegenstrategie mit größerer Wahrscheinlichkeit in riskante und abenteuerliche Situationen begeben haben. Zudem behaupten Harburg et al. (1981), dass das Aufwachsen von Linkshändern in einer kulturell rechtshändigen Welt den Auslöser für ausgeprägtere Persönlichkeitsmerkmale darstellt.

Hypothese 5 (Zwischen der Händigkeit und der Leistungsfähigkeit in Teilaspekten der kognitiven Leistung kann eine Assoziation vorliegen. H5.1: Bei Personen mit einer Präferenz der rechten Hand lassen sich bessere sprachliche Kompetenzen finden.
In den untersuchten kognitiven Leistungsdimensionen (H5) unterscheiden sich die links- und rechtshändigen Untersuchungsgruppen in zwei der drei betrachteten Kategorien deutlich. So weisen die Resultate auf signifikant bessere Kompetenzen der Linkshänder in der Gedächtnisleistung sowie beim logischen Schlussfolgern als bei Rechtshändern hin. Da die rechte Gehirnhälfte für die Bearbeitung komplexer Muster und die Beurteilung räumlicher Beziehungen zuständig ist (Springer & Deutsch, 1998; De Agostini & Dellatolas, 2001), kann der überwiegende Einsatz der kontralateralen Hand zu einer stärkeren Aktivierung in diesem Bereich führen. Diese Annahmen erklären die besseren Resultate der Linkshänder beim Schlussfolgern. Zudem konnte Witelson bereits 1985 zeigen, dass bei Linkshändern der Corpus callosum größer ist als bei Rechtshändern, welcher laut Christman und Propper (2010) für eine verbesserte Gedächtnisleistung in dieser Händigkeitsgruppe verantwortlich ist.

Im Unterschied dazu, zeigt sich bei den verbalen Kompetenzen eine Überlegenheit der Rechtshänder gegenüber den linkshändigen Probanden. Diese in Hypothese H5.1 postulierten Differenzen erreichen jedoch keine statistische Signifikanz. Dennoch sollte das Resultat der Überlegenheit der Rechtshänder in verbalen Bereichen nicht unberücksichtigt bleiben. Rechtshänder weisen trotz eines höheren Alters und eines geringeren Ausbildungslevels – beides Faktoren, die das lexikalische System negativ beeinflussen können (Ruff et al., 1997; Benton et al., 1994) – höhere Durchschnittswerte als die linkshändigen Probanden auf. Ebenso belegen die Ergebnisse von DeAgostini und Dellatolas (2001) einen Nachteil linkshändiger Testpersonen bei verbalen Aufgabenstellungen. Zudem ist neurobiologisch bewiesen, dass die Zentren der Sprache sich in der linken Hemisphäre des Gehirns befinden (Springer & Deutsch, 1998). Die stärkere Aktivierung dieser Regionen durch den häufigeren Einsatz der rechten Hand kann somit die Grundlage der besseren verbalen Kompetenzen bei Rechtshändern darstellen.

Ein zentraler Aspekt dieser Studie bezieht sich auf die Analyse physiologischer, persönlicher und kognitiver Parameter bei Personen, die von der linken auf die rechte Hand umgelernt wurden (H6). Bei Betrachtung der Körpermaße umgelernter Teilnehmer ähneln diese eher jenen der rechtshändigen Probanden. Die Differenzen zu den Linkshändern sind vor allem an den Breiten der Ellbogen sowie den Handgelenksumfängen signifikant. Zudem zeigt sich bei Umgelernten ein homogeneres Verwendungsmuster beider Arme als bei Rechts- oder Linkshändern sowie ein häufigerer Einsatz beider Arme im gleichen Ausmaß. Dennoch überwiegt in dieser Untersuchungsgruppe die Nutzung der linken Seite sowohl bei den Armen als auch bei den Beinen bei verschiedenen Aktivitäten. Die Resultate des Hand-Dominanz-Tests belegen erneut die Sonderstellung dieser Probandengruppe im Vergleich mit rechts- und linkshändigen Testpersonen. Die mit der linken Hand erzielten Ergebnisse entsprechen jenen, die die Linkshänder mit ihrer präferierten Hand erreichen, während die Leistungen der rechten Hand der Umgelernten eher jenen der Rechtshänder mit ihrer dominanten Hand entsprechen. Die kognitiven Kompetenzen liegen deutlich unter den Durchschnittswerten links- und rechtshändiger Versuchspersonen. Diese Differenzen sind vermutlich auf den geringeren Ausbildungslevel sowie den deutlich höheren Altersdurchschnitt der Gruppe der Umgelernten zurückzuführen. Janowsky et al. (2000) finden in ihren Studien, dass eine erhöhte Fehlerquote bei älteren Personen aufgrund eines schwächeren Arbeitsgedächtnisses zurückgeführt werden kann. Das höhere durchschnittliche Alter der Probandengruppe wirkt sich ebenso auf die durchschnittlich erreichten Werte beim Sensation Seeking aus. Diese liegen deutlich unter den Resultaten der Links- und der Rechtshänder und deuten auf ein geringer ausgeprägtes Risikoverhalten der Gruppe der Umgelernten hin.

Zum nächsten Absatz diese kurze Erklärung lesen: 2D:4D Digit Rate
(H7)  Bei der 2D:4D Digit Rate können keine signifikanten Unterschiede zwischen den sechs Vergleichsgruppen (Rechts- vs. Linkshänder nach Schreibhand und Händigkeits-Index, Umgelernte, Beidhändige) vorgefunden werden. Bei Rechts- und Linkshändern sowie Umgelernten liegt ein größerer Zahlenwert der Digit Rate an der linken Hand vor. Die Studien von Beaton et al. (2012; 2011), die eine unterschiedliche Digit Rate bei Recht- und Linkshändern ergeben, können somit nicht bestätigt werden. Beidhändige Untersuchungsteilnehmer besitzen an beiden Händen die gleiche Digit Rate. Bezüglich des Geschlechts zeigt sich ein Unterschied des Zeige- zu Ringfingerlängenverhältnisses an beiden Händen bei Männer und Frauen. Obwohl ein geringeres 2D:4D Verhältnis der Männer im Vergleich zu den Frauen sowohl an der rechten als auch an der linken Hand vorliegt, sind diese Differenzen statistisch nicht signifikant. Diese Daten stützen jedoch die Annahmen von Manning (2002), dass das 2D:4D Verhältnis sexuell dimorph ausgeprägt sein soll.

Neben der Untersuchung der sieben Alternativhypothesen hat die explorative Analyse der Daten weitere wissenschaftlich relevante Ergebnisse zum Forschungsbereich der Händigkeit hervorgebracht. Bei den persönlichen Angaben zur Sexualität liefern Rechtshänder einheitlichere Antworten als linkshändige Probanden, die häufiger eine bi-oder homosexuelle Orientierung angeben. Diese Daten stehen in Einklang mit der Metaanalyse von Lalumiere et al. (2000), welche für ein Überwiegen von Linkshändern unter den Homosexuellen sprechen.

Ebenso können Unterschiede bezüglich des Reproduktionserfolges der Versuchsteilnehmer in den Händigkeitsgruppen festgestellt werden. Während die Kinderanzahl bei umgelernten Probanden doppelt so hoch ist wie bei Rechtshändern, geben Linkshänder eine deutlich reduziertere sowie beidhändige Testpersonen die geringste durchschnittliche Kinderanzahl an. Im Zusammenhang mit diesen Ergebnissen muss der stark variierende Altersdurchschnitt berücksichtigt werden, wobei vor allem die Gruppe der Umgelernten das höchste Durchschnittsalter aufweist. Gangestad und Yeo (1994) sowie McManus und Bryden (1992) weisen jedoch in ihren Studien ebenfalls auf eine reduzierte Kinderanzahl bei Linkshändern hin.

Der Ausbildungsgrad der untersuchten Gruppen unterscheidet sich deutlich, aber nicht auf signifikantem Niveau. Linkshänder erzielen den höchsten durchschnittlich absolvierten Ausbildungsgrad dicht gefolgt von rechtshändigen Untersuchten. Den Abschluss dieser Reihung nach dem Bildungsniveau bilden die beidhändigen Probanden vor den umgelernten Personen. Ein höherer Ausbildungslevel bei Linkshändern kann eine Grundlage für die von Denny und O`Sullivan (2007) gefundenen höheren Stundenlöhne von linkshändigen Berufstätigen darstellen.

Bezüglich der Bedeutung der Religion scheint diese für die umgelernten Probanden den höchsten Stellenwert aller Vergleichsgruppen zu besitzen, wobei erneut das höhere Durchschnittsalter der Testpersonen bei dieser Einstellungskategorie berücksichtigt werden muss. Für Links- und Rechtshänder kommt der Religion annähernd gleiche Bedeutung zu, während für beidhändige Probanden die religiöse Zugehörigkeit am wenigsten wichtig erscheint.

Die Gruppe der beidhändigen Probanden zeigt in den praktischen Aufgabenstellungen dieser Studie eine ausgeglichene Verwendung der Hände mit Ergebnissen, die jeweils zwischen den Werten der Links- und Rechtshänder liegen. Beim Einsatz der Füße und im technischen Bereich wird zumeist die rechte Seite präferiert, während die linke Hand hauptsächlich bei dynamischen und alltäglichen Handlungen Verwendung findet. Die Überlegenheit der linken Hand in diesen Kategorien ist jedoch vermutlich auf die Tatsache zurückzuführen, dass die beidhändigen Teilnehmer dieser Studie hauptsächlich mit der linken Hand schreiben. Diese Gegebenheit beeinflusst auch die Resultate beim Hand-Dominanz-Test, bei welchen zwar eine relativ ausgeglichene Leistung feststellbar ist, jedoch mit der linken Hand bessere Leistungen erzielt werden als mit der rechten. Beidhändige Probanden weisen zudem im Vergleich zur rechten Hand der Linkshänder bessere grapho-motorische Werte auf dieser Seite auf, was als ein Indiz auf die regelmäßige beidseitige Nutzung der Hände gesehen werden kann. Bei der Erhebung des Sensation Seeking-Verhaltens lassen die Werte der beidhändigen Testpersonen auf ein ähnlich ausgeprägtes Risikoverhalten wie bei den Linkshändern schließen. Bei diesem Persönlichkeitsmerkmal kommt möglicherweise dem Einfluss der linken Schreibhand Bedeutung zu, die in diesen beiden Probandengruppen überwiegt. Demgegenüber entsprechen die durchschnittlichen Ergebnisse der Gruppe der Beidhändigen bei den kognitiven Aufgabenstellungen eher den Leistungen der Rechtshänder.

Die Klassifizierung aller Teilnehmer beruht auf der Kalkulation des Händigkeits-Index, der sich auch für zukünftige Forschung auf dem Gebiet der Händigkeit empfiehlt. Einerseits ermöglicht dieser Klassifikationsmodus, die Präferenz der Hände als ein Kontinuum zu sehen und erlaubt einen Vergleich Rechts-, Links- sowie Beidhändige in Bezug auf verschiedene Merkmale. Die Resultate dieser Untersuchung belegen eindeutig, dass die Händigkeit einer Person zahlreiche persönliche, kognitive und auch körperliche Charakteristika beeinflussen kann und diese Unterschiede in den nach dem Händigkeits-Index gebildeten Vergleichsgruppen schärfer zutage treten.

Als begrenzend in der Aussagekraft der vorliegenden Untersuchungsergebnisse muss vor allem der stark variierende Altersdurchschnitt in den einzelnen Versuchsgruppen gesehen werden. Dies ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Prozess des Umlernens in der heutigen Gesellschaft nicht mehr Anwendung findet und daher nur noch aus älteren Generationen Probanden für diese Gruppe rekrutiert werden können. Demnach sind die Aussagen zu Unterschieden im Risikoverhalten sowie in den kognitiven Leistungsvariablen nur mit eingeschränkter Validität möglich. Für zukünftige Forschungsarbeiten sollte deswegen ein Studiendesign gewählt werden, in dem Versuchsgruppen mit ähnlichem Altersdurchschnitt und adäquatem Ausbildungsgrad verglichen werden, um bildungs- und altersabhängige Störvariablen zu eliminieren. Für weitere Händigkeitsuntersuchungen empfiehlt sich zudem eine replikative Analyse des Sensation Seeking-Verhaltens bei Rechts-und Linkshändern sowie die Analyse weiterer Persönlichkeitsmerkmale, welche potentiell im Zusammenhang mit der Händigkeit stehen.

LITERATURVERZEICHNIS

Literatur und Anhang    hier