Aus der Stiftung Kritisches Denken – Critical Thinking Handbook
Aus Wikipedia (überarbeitet) – Was ist Kritisches Denken
Aus dem Institut für Leistungsentwicklung – Bertrand Russell zum Kritischen Denken
Texte im Infopunkt Hochbegabung
Jonas Pfister, 2020. Was ist kritisches Denken? Reclam
Kunimasa Sato, 2015. Motivating Children’s Critical Thinking
Kunimasa Sato, 2015. Kinder zum Kritischen Denken motivieren – durch exemplarisches Lehren Deepl Übersetzung – noch in
Überarbeitung
Einführung Kritisches Denken
Zwei Widmungen vorweg
Für die Schule, vor allem für das prominente Ziel der inneren Differenzierung ist das Kritische Denken deshalb grundlegend, weil es erlaubt, jedes Wissensstück als Ergebnis des Denkens und damit der Denkwege, die das Ergebnis hervorgebracht haben, aufzufassen. Das geronnene Wissen wird unter diese Auffassung wieder flüssig – es kann historisch in der Zeit seiner Entstehung betrachtet werden oder methodisch in Nachvollzug der Denkwege oder experimentell als Befragung der Realität … Sobald Lehrende diese methodische Konstitution des Wissens verstanden haben, werden sie flexibel in seiner Ausdifferenzierung. Hilfreicher Text von Dewey hierfür
Für das Leben ist Kritisches Denken deshalb wichtig, weil es die Chancen erhöht, im persönlichen wie auch im gesellschaftlich-politischen Feld die eigenen Entscheidungen zu begründen und zu prüfen. Angesichts der ansteigenden Macht von Meinungsmachern und zunehmender Bedenkenlosigkeit gegenüber der „Wahrheit“ sollten auch wir uns um diese angelsächsische Tradition stärker bemühen.
Kritisches Denken wird gegenwärtig auch im deutschen Sprachraum aufgenommen. In den angelsächsischen Ländern hat es seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Tradition, die untrennbar eingewurzelt ist in wissenschaftliches und schulfachliches Lehren. In einer Zeit, in der Fake News zur Aufgabe jedes Mediennutzers werden, gewinnt Kritisches Denken an grundsätzlicher Bedeutung, ohne dass jedoch diese Perspektive mit dem traditionellen Ziel deckungsgleich wäre.
Der Begriff des angelsächsischen Pragmatismus „men as scientists“ trifft die Sache genauer. Er impliziert, dass alle Menschen, die vermeiden wollen, sich zu irren – weil es um etwas Wichtiges geht – in der gleichen Richtung arbeiten wie Wissenschaftler. Sie prüfen die Fakten und ihren Umgang damit; nur können Wissenschaftler das in der Regel in elaborierter Form tun, für sie ist diese Prüfung der Kern ihrer Forschungsarbeit. Aber das Ziel ist gleichermaßen wichtig, egal ob es sich um eine private Entscheidung von Bedeutung handelt oder um die Akzeptanz eines Forschungsergebnisses. Die Sache soll stimmen.
Alle Wege, sich zu vergewissern, gehören zum Kritischen Denken – so die wissenschaftsmethodische Seite – oder zur Metakognition (Denken über Denken) – so die psychologische Seite.
John Dewey, ein großer Pädagoge und Vertreter des amerikanischen Pragmatismus hat die Fähigkeit zum Kritischen Denken als Grundlage der demokratischen Partizipation angesehen. Wer in einer Demokratie wählen darf und kein Urteilsvermögen über die bürgerlichen Interessen in seinem Land hat, der ist eine Gefahr für die Demokratie. –
Karl Popper baut das später aus, indem er Kritisches Denken nicht nur als demokratische Herausforderung interpretiert, sondern Demokratie zur Voraussetzung des Kritischen Denkens erklärt : „In ethischer Hinsicht ist es von grundlegender Bedeutung, … daß wir alles in unserer Macht stehende tun müssen, um Fehler zu vermeiden, aber dass wir ihnen nicht entrinnen können. Dieses Bewußtsein führt zu einer antiautoritären und antitotalitären Haltung, einer Haltung, in der wir die Hilfe eines anderen suchen und ihn einladen müssen, unsere Vorschläge zu kritisieren. In anderen Worten: diese Haltung führt zu einer Zusammenarbeit mit anderen auf der Basis der Gleichheit. Sie ist also die eigentliche Grundlage der Demokratie. Diese Idee der Toleranz, die auf unserer Unwissenheit beruht, war schon eine Idee Voltaires. Wir müssen sie wieder zum Leben erwecken. Wir müssen zu Voltaire zurückkehren oder zu Sokrates.“ (Quelle)
Kritisches Denken (im Englischen critical thinking) ist Denken, das sich seiner Inhalte und Methoden vergewissert. Es geht dabei um die Anwendung logischer Prinzipien, strenger Beweisstandards und sorgfältiger Argumentation bei der Analyse und Diskussion von Informationen, Behauptungen, Überzeugungen, Problemen etc., um schließlich zu einem eigenen Urteil zu gelangen. Der Begriff umfasst die Gesamtheit der Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen, Methoden usw., die zu dieser Vergewisserung gehören.
Der Begriff tritt im angelsächsischen Bildungssystem wie ein eigenes Fach auf und durchdringt als Lehrmethode zugleich alle Fächer. Es wird von Lehrbüchern unterstützt (z. B. Unterrichtsmaterialien zum systematischen Assoziieren, aber auch ausgearbeitete Forschungsprojekte für Kinder) und seine wissenschaftspropädeutische Begrifflichkeit wird Schülerinnen und Schülern zugemutet, und zwar durchgängig von der Grundschule bis zum Abschluss der Universität. Bekannt wurde das Trainingsmodell Reflection, Reasons, Alternatives (RRA):
– Vermeide schnelle Urteile, akzeptiere nicht jede erste Idee, die dir in den Kopf kommt, oder das, was in den Medien
präsentiert wird. Denke erst einmal darüber nach.
– Frage: Woher wissen Sie das? Was ist der Grund dafür? Was ist Ihre Informationsquelle?
– Suche gezielt nach alternativen Hypothesen, Erklärungen und Ursachen, nach alternativen Plänen und
Lösungen.
Nach Peter Facione umfasst kritisches Denken die „bewusste, selbstregulative Urteilsbildung, die Interpretation, Analyse, Bewertung und Schlussfolgerung beinhaltet“. Wichtig dafür ist vor allem die Fähigkeit, selbstständig und ohne Kognitive Verzerrung (bias) nachzuforschen, also ohne Informationen zu bevorzugen, die der eigenen Meinung entsprechen (confirmation bias), und ohne Gegenpositionen abzuwerten (myside bias).
Im kritischen Denken wird der Unterschied zwischen Wissenschaftlern und Laien fließend. Die Vorstellung der „Men as scientists“ geht davon aus, dass Menschen in ihrem Bemühen, Irrtümer zu vermeiden, spontan die gleichen Denkwege wie Wissenschaftler einschlagen, nur eben weniger ausgearbeitet. Umgekehrt seien wissenschaftliche Ergebnisse sozusagen geronnenes wissenschaftliches Denken, das sie erschaffen hat, aber insofern auch beschränkt. Einer der Paten des Gedankens ist John Dewey, der in seinem Buch Democracy and Education: an introduction to the philosophy of education (dt. Demokratie und Erziehung) aus dem Jahr 1916 die Rolle des Bürgers in seiner Fähigkeit zu kritischer Partizipation begründet sieht.